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Europarat rügt Polen
- Vernichtendes Urteil über die Behandlung der Deutschen -
Rudi Pawelka, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien

Noch vor einem halben Jahr feierten Deutschland und Polen in einer gemeinsamen Erklärung zum 20. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages die großen Fortschritte im Verhältnis beider Staaten. Der Jubel ist kaum verklungen, schon wird offenkundig, wie unehrlich diese Beteuerungen waren. Kritik kommt dabei nicht nur von den Vertriebenen. Jetzt hat auch der Europarat, ein Zusammenschluss von 47 Staaten, ein vernichtendes Urteil über die polnische Minderheitenpolitik gegenüber den Deutschen gefällt.

Das Expertenteam des europäischen Gremiums kommt zu dem Schluss, dass es bis heute keine Kindergärten oder Schulen gibt mit Deutsch als Unterrichtssprache. Deutsch wird nach diesen Feststellungen nur als Fach unterrichtet, wobei die Methode für Fremdsprachen angewandt wird. Was auch seit langem von den Vertretern der deutschen Volksgruppe beklagt wird, bestätigt der Bericht ebenfalls: Soweit Warschau Zuschüsse für die regionalen Minderheitensprachen an die örtlichen Ebenen vergibt, werden diese Gelder nicht zweckentsprechend verwendet.

Lange Mängelliste bei der Umsetzung der europäischen Sprachencharta.

Auch das Recht einer Minderheit auf Unterricht von Geschichte und Traditionen, die mit ihr verbunden sind, liegt danach im Argen. Hervorgehoben wird ebenso die Lehrerausbildung, die Bildungsmöglichkeiten für Pädagogen ab dem Kindergarten vermissen lässt. In der Mängelliste rügt der Europarat auch die Hürde von 20 Prozent, die nach dem polnischen Minderheitengesetz für die Einführung der zweisprachigen Ortsschilder und des Gebrauchs der deutschen Sprache als Hilfssprache in den Gemeinden gefordert wird. Konkret geht der Bericht auch auf die oberschlesischen Städte Krappitz und Groß Strelitz ein, in denen ein Anteil der Deutschen von 15 Prozent besteht und die Aufstellung von zweisprachigen Ortsschildern verweigert wurde. Das Expertenkomitee spricht auch die Frage der Gründung von mindestens einem öffentlichen Radio- und Fernsehsender in den Gebieten an, in denen die deutsche Sprache gebraucht wird. Man empfiehlt zudem den Gebrauch der Minderheitensprache auf Bahnhofsgebäuden und Flughäfen sowie die Verwendung von zweisprachigen Broschüren im Tourismus und in Museen.

Nachbarschaftsvertrag – ein Torso bei der Umsetzung.

Der Nachbarschaftsvertrag hat in den Kernbereichen in den letzten 20 Jahren kaum etwas gebracht. Ein gravierendes Beispiel bleibt die Beutekunst. Versprochen war, die Probleme im Zusammenhang mit Kulturgütern und Archivalien zu lösen. Die starre Haltung der polnischen Regierung, gleich welcher Couleur, konnte bisher nicht durchbrochen werden. Der beauftragte Sonderbotschafter der deutschen Regierung für die Rückführung der deutschen Kulturgüter hatte bekanntlich sein Amt niedergelegt, weil er bei der nationalistischen Haltung Warschaus nicht mehr an Fortschritte glaubte. So lagert die Urschrift des Deutschlandliedes neben tausenden weiterer Exponate und Urkunden weiter in Krakau. Auf deutscher Seite gibt man das eigene Versagen natürlich nicht zu, sondern versucht, einen eigenen Erfolg zu konstruieren. Bei der gemeinsamen Erklärung sollte der Verhandlungserfolg darin bestehen, dass die polnische Forderung abgewehrt wurde, den Personen polnischer Abstammung in Deutschland als einziger Zuwanderergruppe den Status einer Minderheit zuzuerkennen. Gleichwohl konnten für die Polen in Deutschland erhebliche Rechte durchgesetzt werden, für die Rechte der deutschen Volksgruppe in der Heimat blieb es dagegen bei vagen Zusagen. 

Vertriebenenpolitiker bei Verhandlungen übergangen.

Als besonderen Affront gegen die Vertriebenen und die Vertriebenenpolitiker von CDU und CSU muss die Tatsache angesehen werden, dass sie bei den Verhandlungen über die Erklärung zum deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag völlig übergangen wurden. Von Spitzenvertretern verlautete, sie hätten erst von dem Papier erfahren, als es den Bundestagsfraktionen einige Tage vor der Beschlussfassung des Bundestages zugeleitet wurde. Aus der Führung der Unionsfraktion sei dann zu hören gewesen, dass an der Erklärung nichts mehr zu ändern sei. Vermisst wurde darin vor allem eine Aussage zu den Vertriebenen, die bekanntlich in besonderer Weise von den Verträgen mit Polen betroffen sind. Wie während der Bundestagung der Ost-und Mitteldeutschen Vereinigung Anfang Dezember zu erfahren war, soll nach einer Intervention bei dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel auf dessen Initiative hin noch eine Ergänzung erfolgt sein.

Hoffnung auf europäischer Ebene.

Es wird spannend werden zu verfolgen, ob Polen die Rügen des Europarats beherzigt und sich als demokratischer Staat erweist, der europäische Standards umsetzt. Solange allerdings die deutsche Regierung stillhält und die Deutschen weiter im Stich lässt, kann man nur wenig Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel haben. Noch immer ist die Verständigung eine Einbahnstraße, deutsche Verständigungspolitik bemisst sich in Deutschland leider nur daran, ob sie von Polen als wohlgefällig angesehen wird. Auf Vertragserfüllung oder auf Rechte Deutscher hinzuweisen, gehört leider nicht dazu. So liegt unsere Hoffnung dann auch mehr auf der europäischen Ebene. Die Europäische Union der Flüchtlinge und Vertriebenen (EUFV), deren Mitglied die Landsmannschaft Schlesien ist, wird gegenüber dem Europarat in dieser Frage aktiv bleiben. Sie wird auch bei der Europäischen Union in Brüssel die Problematik des schlechten Minderheitenschutzes in Polen vortragen. Wir fühlen uns alle den Menschenrechten verpflichtet, deshalb können wir uns auch nicht damit abfinden, wenn die deutsche Regierung einen untragbaren Zustand hinnimmt.
 

Quelle:
ps - Pressedienst Schlesien, 30.01.2012,

www.schlesien-lm.de/pressedienst/2012/02%2012.htm

 

Hier die von der AGMO e.V. in Auftrag gegebene Teilübersetzung des Europaratsberichts.
Eine Gesamtübersetzung ins Deutsche steht bis heute leider immer noch nicht zur Verfügung.


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