Das Denkmal für die gefallenen deutschen Soldaten in Sedan verfällt.

Streiflicht zum Volkstrauertag
Das Denkmal von Sedan
Von Dieter Stein

Der Name rief bei unseren Großvätern starke Gefühle wach: Sedan. Der Sieg der Deutschen über die französischen Truppen am 2. September 1870 bei dem wenige Kilometer hinter der belgischen Grenze am Maas-Ufer gelegenen Städtchen brachte die Entscheidung im Deutsch-Französischen Krieg.

Das Kaiserreich gedachte der Schlacht später mit dem alljährlichen Sedantag. Im Ersten Weltkrieg wurde Charleville bei Sedan zum deutschen Hauptquartier. Bereits 1915 errichteten die Deutschen für ihren großen Soldatenfriedhof in Sedan ein entfernt an das Brandenburger Tor erinnerndes Denkmal.

Allgemeine Ignoranz gegenüber dem großen Gedenken

Zwei Millionen deutsche Soldaten fielen im Ersten Weltkrieg. Ihnen zum Gedenken wurde der Volkstrauertag ins Leben gerufen. Seit Jahren verfällt indes das Monument in Sedan. Fast ebenso lange wendet sich die Stadt an deutsche Behörden und warnt, daß das baufällige Denkmal abgerissen werden müsse, wenn nicht rund 100.000 Euro für die Instandsetzung aufgebracht werden.

Die amtlichen deutschen Reaktionen auf die hilfesuchenden Schreiben von Bürgermeister Didier Herbillon, so berichtet jetzt die Welt, seien ohne Ergebnis geblieben und „von Gleichgültigkeit geprägt“. Das Auswärtige Amt verweigert sich ebenso wie auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Die Kälte, mit der deutsche Stellen auf das Hilfeersuchen aus Sedan reagieren, spiegelt die allgemeine Ignoranz gegenüber dem großen Gedenken, das mit der 100. Wiederkehr des Kriegsausbruchs 2014 auf uns zukommt. So hat sich die Bundesregierung, wie der Spiegel berichtet, nicht um ein eigenes offizielles Konzept gekümmert. Der Historiker Gerd Krumeich, der das Pariser Verteidigungsministerium bei seinen umfangreichen Planungen berät, beklagt „grundsätzliches Desinteresse“ und „Das-geht-uns-nichts-an-Schweigen“.

Bild der Alleinschuld Deutschlands wird abgräumt

Woran liegt das? Nun, wir haben im Gegensatz zu den Franzosen den Krieg verloren. Das macht die deutsche Erinnerung schwieriger. Aber: Im Ausgang des Ersten Weltkrieges wurde der Boden für den Zweiten bereitet. Es sind ausländische Historiker wie Christopher Clark, die mit ihren aktuellen Veröffentlichungen das Bild der Alleinschuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg endgültig abräumen. Dies wirft spannende Fragen auf. Warum hakt das offizielle Deutschland hier nicht ein und trägt selbst zur Korrektur einer Geschichtsdarstellung bei, die uns schadet?

Der Schuldkult, die Reduktion Deutschlands zum Alleinverursacher zweier Weltkriege, kürzt unangenehme Diskussionen ab. Deutsche Regierungen absolvieren lieber routiniert eine bewährte Gedenkliturgie, die stets allein Deutsche als Täter in den Blick nimmt. Um so schneller können Regierende dann zur Tagesordnung einer ins Europäische transzendierten Politik übergehen, ohne lästige nationale Bezüge.
 

Quelle:
JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co., Politik, 14.11.2013,
www.jungefreiheit.de/Single-News-Display-mit-Komm.154+M5b021661e97.0.html