»... wo Korn und Obst der Flur
entsprießt ...«
Die Wurzeln des Westpreußenliedes von Paul Felske und Hugo
Hartmann führen nach Marienburg
Der Text des „Westpreußenliedes“ entstand 1901
und wurde im Jahr darauf vertont. Bald danach wurde die heutige westpreußische
Regionalhymne in der katholischen Gemeindeschule zu Marienburg, an welcher der
Komponist als Lehrer und Organist tätig war, eingeübt und bei einer
Schulfestlichkeit gesungen. Noch im Jahre 1902 erwarb sie der Marienburger
Gesangverein, um sie bei größeren Festlichkeiten wiederholt vorzutragen. 1903
wurden Text und Melodie beim Verlagshaus Paul Aßmus in Marienburg veröffentlicht
und an einem Abend dieses Jahres das Lied vom Marienburger in Gemeinschaft mit
einem Elbinger Gesangverein unter großem Beifall zum Vortrage gebracht.
Sehr förderlich für die Verbreitung des Liedes
war seine Aufnahme in das Liederbuch des 1894 in Posen gegründeten Deutschen
Ostmarkenvereins. Für die Anerkennung, die es schon vor dem Ersten Weltkrieg
fand, spricht ein im Jahre 1907 vom Ostmarkenverein an den Dichter und den
Komponisten gerichtetes Anerkennungsschreiben, in dem besonders des „großartigen
Erfolges“ gedacht wurde, den das Westpreußenlied auf einem Bismarckkommers
errungen hatte. Nach dem Ersten Weltkrieg fand es im deutsch-polnischen
Abstimmungskampf von 1920 starke Verwendung
Traditionell wurde es entweder vierstimmig als
Männergesang oder zwei- und dreistimmig als Schullied gesungen. Bei einer
Weihnachtsfeier von Westpreußen in Kiel wurde es von zwei Mädchen zweistimmig
vorgetragen, was sehr stimmungsvoll gewesen sein soll. Marienburgs Erster
Bürgermeister Bernhard Pawelcik berichtete nach dem Zweiten Weltkrieg, dass das
Lied auch als Trio eines flotten Westpreußenmarsches, komponiert von dem
Musikmeister des Traditionsbataillons des Deutsch-Ordens-Infanterie-Regiments
Hasso Boss, wirkungsvoll verwendet worden sein soll.
Wenn das Westpreußenlied sich auch in ganz
Westpreußen großer Beliebtheit erfreut beziehungsweise erfreute, so ist es doch
besonders populär geworden in Elbing und Marienburg sowie in der Umgebung dieser
Städte und im Regierungsbezirk Marienwerder sowie östlich und auch westlich der
Weichsel. Seine drei Strophen lauten:
Westpreußen, mein lieb’ Heimatland, wie bist du
wunderschön! Mein ganzes Herz, dir zugewandt, soll preisend dich erhöh’n. Im
Weichselgau ich Hütten bau’, wo Korn und Obst der Flur entsprießt, wo Milch und
Honig fließt.
Refrain: wo Korn und Obst der Flur entsprießt, wo
Milch und Honig fließt.
O Land, durch deutsche Tüchtigkeit und deutschen
Fleiß erblüht, dir schwört mein Herz Ergebenheit und Treue mein Gemüt. Durch
deutsche Kraft und Wissenschaft sei deutsches Wesen, deutsche Art dir allerzeit
gewahrt.
Refrain: sei deutsches Wesen, deutsche Art dir
allerzeit gewahrt.
Wie lieblich grüßen Wald und Feld, manch blauer
See im Tal.
Drum steht mir auf der ganzen Welt kein schönres
Land zur Wahl. Im Weichselgau auf blum’ger Au will ich dereinst begraben sein,
ich zur Ruhe sein.
Refrain: will ich dereinst begraben sein, ich zur
Ruhe sein.
Der Verfasser dieses Liedtextes ist Paul Felske.
Als Sohn eines in Hochkirch, Kreis Briesen ansässigen „Besitzers und Ackerwirts“
und dessen aus der Straßburger Gegend stammenden Ehefrau kam dieser am 28.
Januar 1838 zur Welt. Er wuchs mit sieben Brüdern und einer Schwester in
bescheidenen Verhältnissen auf. Die Kindheit und Jugend soll aber trotzdem nicht
unglücklich gewesen sein, bis seine Mutter – „selbst pflegend, der Pflege
bedürftig“ – in seinem 18. Lebensjahr verstarb. Während seine Geschwister aus
Geldmangel ein Handwerk erlernen mussten, war ihm eine Ausbildung zum Lehrer
vergönnt. Nach seiner Ausbildung erhielt er eine Stelle an der Schule in Kalthof
bei Marienburg, die er bis zu seiner Pensionierung 50 Jahre inne hatte.
Anschließend zog er nach Marienburg. Verheiratet war er mit Luise Lellis, die er
überlebte. Er selber starb wenige Monate nach Beginn des Ersten Weltkrieges am
16. Dezember 1914 ohne einen Nachkommen hinterlassen zu haben. Seine letzte
Ruhestätte fand er unweit des noch aus der Ordenszeit stammenden
Jerusalem-Hospitals auf dem evangelischen Jerusalemer Friedhof.
Wie der Verfasser des Textes war auch der
Komponist der Melodie des Westpreußenliedes Westpreuße und Lehrer. Allerdings
war er Katholik und fast eine Generation jünger. Mal wird sein Geburtstag mit
dem 12. Mai 1862, mal mit dem 12. März 1860 angegeben. Sein Leben und Wirken
kreiste wie das Felskes um Marienburg. Als Lehrer und Organist wirkte er an der
katholischen Gemeindeschule und beigesetzt wurde er auf dem katholischen
Friedhof „Große Geistlichkeit“. Der Autodidakt spezialisierte sich auf das
Instrument Klavier. Von ihm heißt es, er habe unentwegt Musik studiert, sich in
Klavierauszüge großer Werke vertieft sowie alle größeren Musikveranstaltungen in
Elbing und Danzig und die bedeutenden Musikfeste und Oratorienaufführungen im
Großem Remter der Marienburg besucht. Eine Frucht dieser Auseinandersetzung mit
der (Klavier-)Musik war eine weithin anerkannte Klavierschule, die im Berliner
Verlag Adolf Kurz erschien. Gestorben ist Hugo Hartmann am 19. Mai – darüber
scheint Konsens zu herrschen, allerdings nicht über das Jahr. Pawelcik bietet
1927 an, der Historiker Harry D. Schurdel 1901 und bei „Ostpreussen.net“ findet
sich die Angabe 1907.
Vor der Flucht und Vertreibung setzte die Stadt
Marienburg den beiden Erschaffern des Westpreußenliedes im Stadtpark ein
Findlingsdenkmal, auf dem in Gold neben den Namen und Lebensdaten der beiden
Künstler die Anfangsworte und -noten des Westpreußenliedes verzeichnet waren.
Der Gedenkstein für die beiden westpreußischen Künstler ist bereits gestürzt,
verloren. Und wenn die Westpreußen nicht aufpassen, scheint es nur noch eine
Frage der Zeit, bis mit dem gemeinsamen Werk ihrer beiden Landsleute ein Stück
westpreußische Kultur dem kollektiven Gedächtnis ebenfalls verloren geht.
- M.R.
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Quelle:
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