Eine der volkstümlichen
Königsberger Persönlichkeiten
seiner Zeit war der "alte Borowski"
von Herbert Meinhard Mühlpfordt
Nach
der Absolvierung des Friedrichskollegiums 1755 wurde er 1758 Hauslehrer der Söhne
des Generals v. Knobloch. In der Russenzeit
Königsbergs bekannte er freimütig seine
preußische Gesinnung, wofür ihn der Gouverneur Suworow in den Kerker warf. Durch
Kaiserin Elisabeths Tod im Januar 1762 frei,
eilte er zu den Fahnen und wurde schon mit 22 Jahren Feldprediger beim Regiment
Lehwaldt. 1770 gab er das Soldatenleben auf und wurde Erzpriester in Schaaken, von
wo der am 17. Juni 1740 geborene Königsberger 1782 an die Neuroßgärter Kirche berufen
wurde. Er wurde dann Kirchen- und Schulrat, später Generalsuperintendent und Oberhofprediger
an der Schloßkirche
(1815).
Jeden Ruf nach auswärts lehnte er ab; denn er war wie Kant mit seiner Heimat untrennbar
verwachsen. 1816 erhielt er den in der evangelischen Kirche ungewöhnlichen Titel
eines Bischofs und 1829 den einzig verliehenen eines Erzbischofs. 91 Jahre alt,
wurde er mit der Verleihung des Schwarzen Adlerordens geadelt. Doch überlebte er
diese Ehrung nur wenige Monate und starb am 10. November desselben Jahres, nachdem
er sieben Jahrzehnte sein Amt erfüllt hatte.
Borowskis Bedeutung liegt in seiner starken, übermächtigen Persönlichkeit,
die ihren Willen und Glauben den zuströmenden Kirchenbesuchern ebenso aufzuzwingen
verstand als seinen Kollegen und Untergebenen in seinen Ämtern und als dem oft in
der Unglückszeit von 1806 bis 1809,
als der Hof in Königsberg residierte,
verzweifelten Königspaar. Friedrich Delbrück, der Erzieher der beiden ältesten Prinzen,
nennt ihn "einen eigentümlichen Mann, dessen Vortrag durch die Gedanken einen gebildeten
Geist, dessen Ton und Stimme einen väterlichen rührenden Sinn zu Tage legte". Oft
gingen Friedrich Wilhelm und Königin Luise in die Neuroßgärter Kirche, um sich durch
seine Predigten aufrichten zu lassen. Auch des nach dem Tode seiner Gemahlin tiefgebeugten
Königs nahm sich der mächtige Glaubensstreiter Borowski liebevoll an; der König
hat ihm bis zu seinem Tode seine Dankbarkeit bewahrt. Er erzählt: "Wenn ich zweifelte,
schüttelte Borowski mir die Hand, klopfte mir auf die Schulter, faßte mich bei den
Rockknöpfen und sprach mit Ernst und Würde eines Propheten Nathan: "Sie müssen glauben
lernen, Majestät! So viel der Mensch glaubt, so viel gewährt ihm Gott!' So hatte
noch nie jemand mit mir gesprochen, die wenigsten standen fest und ruhig vor mir:
die meisten wollten mir nur Angenehmes sagen."
Als die Königin ihrem Prediger einmal freundlich vorwarf, daß
er so selten zu ihren Tees käme, antwortete er: "Ich befolge darin nur den Rat
der Heiligen Schrift, welche spricht: ,Dränge dich nicht in der Könige Häuser."'
Auch des Bischofs Volkstümlichkeit beruhte auf seiner charakterstarken
Persönlichkeit. Zahllose Anekdoten liefen über ihn noch lange nach seinem Tode um.
So berichtete der Königsberger Generalsuperntendent D. Braun,
daß, als nach der Verleihung des Schwarzen Adlerordens an Borowski sich die Königsberger
in die Schloßkirche drängten, er nach Betreten der Kanzel sagte: "Was seid Ihr heute
in so großen Scharen zu mir gekommen? Ihr dachtet alle: heut' hat er ihn um! Aber
Prost Mahlzeit! Er hat ihn nicht um. Paßt es für mich, an heiliger Stätte mit Orden
zu prahlen? Paßt das für Euch, so neugierig zu sein? Prost Mahlzeit! Das schickt
sich nicht. Des Christen Schmuck und Ordensband - das ist das Kreuz des Herrn!"
Von Jugend an war Borowski furchtlos und schlagfertig. Aus seiner
Militärzeit stammen die meisten Anekdoten.
So saßen einst die Offiziere seines Regiments in der Wachstube
des Königsberger Schlosses und pichelten. Da kommt der Feldprediger vorbei. Um ihn
anzuöden, stimmen die übermütigen Offiziere mit rauhen Kehlen an: "Jesus meine Zuversicht".
Da steckt Borowski den Kopf durch die Türspalte: "Pst, meine Herren! Sie singen
den falschen Vers. Der zweite muß es sein; er lautet: "Unser Wissen und Verstand
ist mit Finsternis umhüllet!"
Noch bekannter ist sein Gespräch mit dem Leutnant v. Osten: Der
wollte den Feldprediger in die Enge treiben und bezweifelte, daß in der kleinen
Arche Noah so viele Tiere Platz gehabt hätten. "Mit nichten, Herr Leutnant! Die
Allmacht Gottes kann alles. Er rief das Nashorn von Westen, den Papagei von Süden,
das Walroß von Norden und den Esel von Osten und befahl dem Esel von Osten voranzuschreiten,
worauf alle folgten." Borowski hatte die Lacher auf seiner Seite.
Der junge Offizier sann auf Rache. Bei der nächsten Begegnung
fragte er scheinheilig, ob man alles, was die Bibel sagte, befolgen müsse, auch
wenn es schmerzhaft sei? Als Borowski bejahte, sagte jener: Es steht geschrieben:
So dir jemand gibt einen Streich auf den linken Backen, so halte ihm auch den rechten
hin", und ergab dem Prediger einen Backenstreich. Blitzschnell gab der dem überraschten
Jüngling die Ohrfeige verstärkt zurück. "Es steht geschrieben: Mit dem Maß, mit
dem du messest, wird auch dir wieder gemessen."
Als die Kameraden die beiden Kampfhähne auseinanderbringen wollten,
sagte Borowski gemütlich: "Es ist nichts, meine Herren - Herr v. Osten und ich legen
uns nur die Heilige Schrift aus."
v. Osten aber wurmte dies so, daß er noch ein drittes Mal den
Gottesmann attackierte: Er lud Borowski zum Abendessen; als der eintritt, reißt
er eine Reitgerte von der Wand und sagt: "Kennen Sie Moses Zauberstab?" Er hebt
die Peitsche.
Doch der Angegriffene zieht mit Gedankenschnelle eine Pistole
und entgegnet ruhig: "Und kennen Sie Aarons Rauchfaß?"
Dies hatte zur Folge, daß die Gegner durch Vermittelung der Kameraden
sich versöhnten.
Auch eine Baronin S. holte sich eine Abfuhr, als sie Barowski
lächelnd fragte, ob nicht die Geschichte von Bileams Esel unglaubwürdig sei, weil
doch ein Esel nicht mit menschlicher Stimme sprechen könne "Sie irren", erwiderte
der Gottesmann' "es war kein Esel, Frau Baronin - es war ja eine Eselin, die ihren
Mund auftat."
Zu dem nur sechs Jahre älteren Kant stand Borowski in herzlichem
Verhältnis. Er hat eine wertvolle Kantbiographie geschrieben, die der Philosoph
noch selbst korrigiert hat. Obwohl Borowski pietistisch erzogen wurde, rang er sich
doch zu freierer Religionsauffassung durch und sagte: "Kants Postulate Gott, Freiheit
des Willens und Unsterblichkeit sind die Grundweisheiten der christlichen Religion."
Er gehörte auch zu des Philosophen Tafelrunde.
Nach seinem Tode wurde Borowski in einem Mausoleum auf dem Alten
Altstädtischen Friedhof am Brandenburger Tor unter großer Anteilnahme des Volkes
beigesetzt.
Als man kurz vor dem Zweiten Weltkriege die dortigen künstlerisch
wertvollen Grabmäler herrichtete, beschloß man, den Sarg Borowskis unter fachkundiger
Leitung Dr. Bieskes zu öffnen. Die Kommission fand den Erzbischof vollkommen erhalten
vor. Man nahm dem Toten das Bischofskreuz von der Brust, dann verschloß man den
Sarg und vermauerte die Gruft. Das Kreuz kam zu seinen Orden in das Prussiamuseum.
Als der Königsberger Schloßpfarrer Müller von Hitler zum Reichsbischof
ernannt wurde, entnahm er trotz des Protestes des Kastellans das Kreuz dem Prussiamuseum
und ließ sich damit photographieren. Dann hat er es vermutlich dem Museum zurückgegeben,
wo es mit den anderen Schätzen in der Schreckensnacht vom 29./30. August 1944 zugrunde
gegangen ist.
Borowskis Äußeres ist uns durch das Bild Julius Knorres erhalten,
das in der Hauptstätte seines Wirkens, in der Neuroßgärter Kirche hing. Ich zeige
hier dies Altersbild von ihm.
Quelle:
Der redliche Ostpreuße, Kalenderbuch 1981,
Verlag Gerhard Rautenberg, Leer, 1981, Seite 104-108
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