Das Vorgehen von Kulturstaatsministerin Monika Grütters war nicht souverän |
Vertriebenenstiftung
Ein würdeloses Spiel
von Rainer Blasius
Erst konnte es Kulturstaatsministerin Monika Grütters nicht schnell genug verkünden, dass es einen neuen Direktor für die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gebe. Dann ließ sie ihn jedoch im Stich.
Am 29. Juni konnte es Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nicht schnell genug gehen. Ihren Kandidaten für die Stelle des Direktors der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ (SFVV) hatte sie im Stiftungsrat mit respektabler Mehrheit durchgesetzt – gegen einen Mitbewerber aus dem „Wissenschaftlichen Beraterkreis“ der SFVV. Nun haben diese Berater laut Satzung zwar kein Vorschlagsrecht, wollten es jedoch wahrnehmen. Entsprechend war die Reaktion: Mehrere traten zurück, darunter der Gegenkandidat, ein Mitarbeiter der „Forschungsabteilung Berlin“ des Instituts für Zeitgeschichte, der nicht über Leitungs- und Verwaltungserfahrung verfügte. Nicht zuletzt daran war schon SFVV-Gründungsdirektor Manfred Kittel gescheitert, der sich Ende 2014 von seinen Aufgaben hatte entbinden lassen.
Noch am Abend des 29. Juni, so erinnert sich Winfrid Halder, Direktor der „Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus - Deutsch-osteuropäisches Forum“ in Düsseldorf, gratulierte Grütters per Mobiltelefon zur Wahl. „Ich muss das jetzt bekanntgeben“, soll die Staatsministerin dem 52 Jahre alten habilitierten Historiker und Vater von fünf Kindern gesagt sowie eine „familienkompatible“ Lösung für den Arbeitsvertrag in Aussicht gestellt haben. Sofort wurde die Personalie publik gemacht. Manche Feuilletons überboten sich daraufhin mit kritischen bis abfälligen Kommentaren und beriefen sich auf Stimmen aus dem „Beraterkreis“. Das beeindruckte die Staatsministerin nicht; sie führte am 2. Juli ein kurzes Telefonat mit Halder, der nach den Vorstellungen der Behörde der „Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“ (BKM) - so die offizielle Bezeichnung für den Grütters-Bereich im Kanzleramt - am 1. Oktober oder 1. November antreten sollte.
Allerdings war Ferienzeit, so dass sich die Beamten nicht von der Eile ihrer Chefin anstecken ließen. Erst nach sechs Wochen erhielt Halder einen Vertrag, der die Ausschreibung vom März zur Grundlage nahm: „Die Vergütung erfolgt in einer außertariflicher Bezahlung (in Anlehnung an die Besoldungsgruppe B 3) in einem zunächst (voraussichtlich fünf Jahre) befristeten Arbeitsverhältnis.“ Dazu hieß es im Vertragsentwurf: „Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum Erreichen folgenden Zweckes: ,Abschluss des Aufbaus der Dauerausstellung sowie des Informations- und Dokumentationszentrums zur Eröffnung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Deutschlandhaus Berlin‘; längstens bis zum 31.10.2020.“
Halder ließ sich juristisch beraten, weil dies auf einen „Werkvertrag“ mit doppelter Befristung, sachlich und zeitlich, hinauslaufe. Je schneller er den Aufbau der Dauerausstellung und des Informationszentrums erreichen würde, desto kürzer fiele die Laufzeit aus. Nach wiederholten Gesprächen mit dem zuständigen Referatsleiter/BKM und weiteren sechs Wochen lag Halder ein zweiter Vertrag vor, dieses Mal ohne sachliche Befristung: „Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum 31.10.2020.“ Darauf drängte Halder auf ein direktes Gespräch mit Grütters, das am 28. September in Berlin stattfand.
Plötzliche Stellenausschreibung
Grütters gab laut Halder zu, dass der erste Vertrag ein „Irrtum“ gewesen sei. Davon unbeeindruckt, bat Halder darum, eine Zusicherung zu bekommen, dass noch vor der Bundestagswahl vom Herbst 2017 eine vorzeitige Verlängerung der Vertragslaufzeit auf weitere fünf Jahre (also bis 2025) möglich sei. Dabei wies er darauf hin, dass nach seinen Informationen die Stelle des Gründungsdirektors Kittel bereits ein Jahr nach Amtsantritt entfristet worden sei. Grütters kündigte eine entsprechende Reaktion des BKM-Ministerialdirektors an. Eine „Zusage“ - so Halder - machte die Ministerin, dass er „als künftiger Direktor die Verantwortung für alle noch zu besetzenden Stellen der Stiftung haben würde“.
Ähnlich habe sich der zuständige Referatsleiter/BKM zur Ausschreibung einer „vakanten Stelle Kurator/Kuratorin“ bei der SFVV geäußert. Diese Stelle wurde plötzlich ausgeschrieben, und zwar ohne Halder zu informieren. Nur durch „Zufall“ habe er davon erfahren, denn unter den Bewerbern war eine Mitarbeiterin Halders vom Gerhart-Hauptmann-Haus mit einschlägiger Ausstellungserfahrung. Bei den Vorstellungsgesprächen Mitte Oktober habe in der „kontroversen Entscheidungsfindung des Auswahlgremiums“ ein BKM-„Beobachter“ gegen Halders Votum „plädiert“.
Zwischenzeitlich sei von BKM-Seite erwogen worden, einen „Passus über eine vorzeitige Verlängerung“ in den Vertrag aufzunehmen, und zwar nach vorheriger Rücksprache der Staatsministerin mit Mitgliedern des Stiftungsrates. Als Alternative sei - parallel zum Vertrag - ein Schreiben von Grütters an Halder genannt worden, in dem eine solche Verlängerung als Absicht fixiert werden könne. Mitte Oktober schloss jedoch ein Ministerialrat des BKM Halder gegenüber jegliche Erwähnung einer frühen Verlängerung aus; dafür müsse erst „eine neue Stelle“ geschaffen werden, die man bisher gar nicht habe.
Kleine Lösung wahrscheinlich
Nach diesen Erfahrungen setzte Halder am 26. Oktober Grütters schriftlich von seinem Entschluss in Kenntnis, die Stelle des Direktors nicht zu übernehmen. Die Vertragsverhandlungen und Begleitumstände hätten seiner „Vorstellung von Korrektheit, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit“ widersprochen. Und im ministerialen Apparat seien in seinem Fall „wichtige Abläufe langsam und zögerlich, inkonsequent und absprachewidrig verlaufen“.
Das würdelose Spiel mit Halder war damit noch nicht ganz zu Ende. Am 3. November teilte der Büroleiter der Staatsministerin per Mail Halder mit, Grütters wolle die Absage mit der Formulierung „aus persönlichen Gründen“ rechtfertigen. Halder lehnte dies ab und berief sich stattdessen auf sachliche Gründe: „vor dem Hintergrund von Verlauf, Art und Ergebnis“ der Verhandlungen seit Juni 2015. Dies passte dem Büroleiter überhaupt nicht, weil es „Nachfragen“ provozieren würde. Die Ministerin ließ schließlich erklären, dass Halder „bedauerlicherweise“ aus „persönlichen Gründen“ nicht zur Verfügung stehe. Daher habe sie den Direktor der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ gebeten, zusätzlich die Geschäfte der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ bis zur Neubesetzung der Direktorenstelle zu leiten. Und: Sie werde dem SFFV-Stiftungsrat „in Kürze einen Verfahrensvorschlag zur dauerhaften Besetzung des Direktorenpostens unterbreiten“.
Höchstwahrscheinlich ist mit einer kleinen Lösung
zu rechen: Ein Dauerstelleninhaber der SFVV-Stiftung – zwei hatten sich auch im
Frühjahr beworben – darf sich auf den Direktorenposten freuen. Damit wäre das
Problem der Planstelle (die der Gründungsdirektor offensichtlich weiter innehat)
elegant umschifft. Insgesamt zeigt aber die Art, in der Grütters und ihr Haus in
einer Mischung aus Arroganz und Arglosigkeit eine brisante Personalie behandeln,
dass die Zukunft der Vertriebenenstiftung vor allem in einer verstärkten
Bedeutungslosigkeit gesehen wird.
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