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„Senkung der Minderheitenstandards nicht im polnischen Interesse“ Bundesbeauftragter zu Aussiedlerfragen und nationalen Minderheiten Hartmut Koschyk sprach im Interview mit Lukasz Bily über seine Einschätzung der politischen Situation in Polen nach den Herbstwahlen zum Parlament. Insbesondere spielt die deutsche Minderheit in Polen dabei eine erhebliche Rolle. Herr Bundesbeauftragter. Die Wahlen in Polen endeten mit einem grundlegenden Kurswechsel in der polnischen Politik. Die liberale Bürgerplattform wurde von der konservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) abgelöst. Wie sind ihre Erfahrungen, wenn es um die Zusammenarbeit mit der bisherigen Regierung geht und was sind ihre Prognosen, wenn es um die neue geht? Die Bürgerinnen und Bürger der Republik Polen haben der Partei Recht und Gerechtigkeit einen klaren Regierungsauftrag erteilt. Selbstverständlich respektiert die Bundesregierung dieses Ergebnis einer demokratischen Wahl. Die Zusammenarbeit mit der Vorgängerregierung war insgesamt nicht deshalb konstruktiv, weil sie von bestimmten Parteien getragen wurde, sondern weil die gemeinsamen Interessen überwogen. Angesichts der vielen Probleme in Europa, wie etwa dem Russland-Ukraine-Konflikt oder der Frage der Zuwanderung und Integration, ist eine enge und vertrauensvolle deutsch-polnische Kooperation im Interesse beider Länder und Europas nach wie vor dringend geboten. In der Vergangenheit war es oft der Fall, dass die PiS nicht unbedingt positiv gegenüber Deutschland eingestellt war. Viele Vertreter sind durch Anspielungen auf deutsch-polnische Ressentiments bekannt geworden. Fürchten sie, dass es in den deutsch-polnischen Beziehungen zu einem Rückgang kommen kann? Ich rate doch dringend, erst einmal die Regierungsbildung und die erste Regierungserklärung abzuwarten. Dann wird zu beobachten sein, wie die deutsch-polnische Zusammenarbeit künftig in konkreten Fällen funktioniert. Angesichts der vielen gemeinsamen Interessen mag ich mir ich eine wesentliche Verschlechterung gar nicht vorstellen! Der Chef der PiS-Partei Jaroslaw Kaczyński hat erst 2013 in Oppeln gesagt, dass „sollten wir die Macht übernehmen, werden wir der deutschen Minderheit in Polen die Rechte entziehen, falls die Polen in Deutschland nicht die gleichen erhalten“. Nach den Wahlen hat die PiS die absolute Mehrheit im polnischen Parlament und kann praktisch jede Entscheidung umsetzen. Denken Sie, dass eine tatsächliche Gefahr für die Umsetzung dieser Worte besteht? Wie würde die Bundesregierung in diesem Fall reagieren? Über die Verpflichtungen aus dem deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag von 1991 hinaus ist Polen an die Bestimmungen verschiedener internationaler Vereinbarungen gebunden. Die beiden grundlegenden Dokumente des Europarats – das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten von 1995 und die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen von 1992 wurden auch von der Republik Polen unterzeichnet und ratifiziert. Ich gehe davon aus, dass sich auch die neue polnische Regierung an bilaterale Verträge und internationale Vereinbarungen halten wird. Vor einiger Zeit hat der polnische Präsident Andrzej Duda (PiS), die durch das vorherige Parlament angenommene Novellierung des polnischen Minderheitengesetzes in Frage gestellt. Viele Mitglieder der deutsche Minderheit sehen dies als Andeutung schwieriger Zeiten für Deutsche in Polen. Teilen Sie diese Befürchtungen? Das Veto-Recht des Präsidenten ist der polnischen Verfassung vorgesehen. Ich hoffe, dass die neue Parlamentsmehrheit die Novellierung doch noch bestätigen wird. Es geht ja keineswegs nur um die deutsche Minderheit, sondern um alle autochthonen nationalen Minderheiten des Landes. Ich hoffe daher, dass die neue polnische Regierung nicht nur ihre international eingegangenen Verpflichtungen beachtet, sondern auch die Situation in ganz Europa im Auge behält. Wir erleben augenblicklich – vom Russland-Ukraine-Konflikt hatte ich gesprochen – eine zunehmende Instrumentalisierung der Frage von nationalen Minderheiten. Eine Stabilisierung der Ukraine wird ohne einen europäischen Standards entsprechenden Minderheitenschutz nicht gelingen. Dabei geht es auch um die Zukunft der polnischen Minderheit in der Ukraine. Deshalb kann Polen eigentlich kein Interesse daran haben, diese Standards im eigenen Land in Frage zu stellen. Die Vertreter der deutschen Minderheit haben letztens angedeutet, dass die Gespräche des deutsch-polnischen Runden Tisches fortgesetzt werden sollen. Die Gespräche waren in vielen Aspekten schon mit der vorherigen Regierung schwierig. Was erwarten sie in diesem Hinblick von den neuen Partnern? Ich hatte mich schon unmittelbar nach
Bekanntgabe des Wahlergebnisses für eine nahtlose Fortsetzung der Verhandlungen
ausgesprochen. Für die dringend notwendigen Verbesserungen des
muttersprachlichen Unterrichts hat die deutsche Minderheit in Polen mit ihrer
Bildungsstrategie eine hervorragende Grundlage geschaffen, wobei diese jetzt im
Hinblick auf die notwendige praktische Umsetzung am Runden Tisch
weiterzuentwickeln werden muss. Auch bei einem wichtigen Projekt für die
polnischstämmigen Bürger und Polen in Deutschland, der Sanierung des
historischen Dom Polski in Bochum, das künftig als zentrale Einrichtung für
diese Gruppe dienen soll, sind wir ein wesentliches Stück vorangekommen. Die
polnische und die deutsche Regierung sollten immer die Menschen im Blick
behalten, um die es ja eigentlich geht. Deshalb werbe ich stark dafür, die im
Rahmen des „Runden Tisches“ besprochene weitere Vorgehensweise beizubehalten,
nicht zuletzt im Hinblick auf das im nächsten Jahr bevorstehende 25jährige
Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags. Mit dem Vorstand des
Verbandes der Sozial-Kulturellen Gesellschaften in der Republik Polen unter dem
Vorsitz von Bernard Gaida habe ich mich in letzter Zeit in Berlin auch über die
weiteren Gespräche des deutsch-polnischen Runden Tisches ausführlich beraten.
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