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„Frau, komm!“ Vor einer Woche stellte der polnische Kunststudent Jerzy Bohdan Szumczyk eine Skulptur in Danzig auf: Die Darstellung eines Rotarmisten, der eine hochschwangere Frau vergewaltigt, während er ihr eine Pistole in den Mund hält. Nur wenige Stunden später wurde die lebensgroße Figur, die der Künstler „der geschichtlichen Wahrheit“ gewidmet hat, von der Polizei weggeräumt. Der junge Bildhauer hatte sein Werk ohne Genehmigung der Behörden nachts neben einem Denkmal für die Rote Armee aufgestellt. Die Aussage des Künstlers war unmißverständlich: eine gegen den Krieg gerichtete „Friedensbotschaft“, mit der der junge Bildhauer „das Leiden der Frauen und die Schrecken des Krieges“ zeigen und nichts „verschweigen“ wollte. Und er hat sein Ziel erreicht: Rußlands Botschafter in Warschau, Alexander Aleksejew, zeigte sich „zutiefst schockiert“ über dieses „Pseudo-Kunstwerk“. Mit diesem habe der Bildhauer das Gedenken an 600.000 sowjetische Soldaten beleidigt, die „für die Befreiung und Unabhängigkeit Polens gestorben sind“, empörte er sich und forderte die polnische Regierung zu einer „angemessenen Reaktion“ auf. Für ihr Leben gezeichnet Warum klingt das Wort „angemessen“ aus dem Munde eines russischen Diplomaten in diesem Zusammenhang nur so hohl? Vielleicht wegen der schätzungsweise zwei bis zweieinhalb Millionen Frauen und Mädchen, die während der letzten Kriegsmonate von sowjetischen Soldaten teilweise systematisch vergewaltigt wurden. Viele von ihnen überlebten die Mißhandlungen nicht, andere brachten sich danach um. Die, die überlebten, waren für ihr Leben gezeichnet. War das „angemessen“? Wenn die Skulptur einen deutschen Soldaten gezeigt hätte, der eine polnische oder russische Frau vergewaltigt, hätte Herr Aleksejew und wohl nicht nur er das Werk sicherlich als große Kunst gepriesen. Zu blöd nur, daß Wehrmachtssoldaten nicht gerade für systematische Massenvergewaltigungen bekannt sind – und daß manche Künstler keine Propaganda betreiben, sondern sich an geschichtliche Tatsachen halten wollen. Wer gedacht hat, daß ein derartiges Kunstwerk heute, nach bald siebzig Jahren, langweilig, überholt und aus der Zeit gefallen sein könnte, der irrt. Denn nur selten erhält eine Skulptur eines jungen Künstlers so viel Aufmerksamkeit wie das Bild „Frau, komm!“ des vergewaltigenden Rotarmisten. Und dies nicht nur, weil er sie provokativ neben einem Sowjetehrenmal aufstellte. Offenbar besitzt die unterdrückte Wahrheit noch deutlich mehr Kraft als die Ideologie, die sie verschleiern soll. Schade nur, daß diese Kraft wohl hierzulande nicht ausreichen wird, um die bestehenden Denkverbote über Täter- und Opferrollen zu sprengen – und die Skulptur zum Beispiel hier auszustellen. Sowjetische Ehrenmäler als passenden Ort gäbe es ja zur Genüge.
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