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Parallelgesellschaften |
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Wieso der Sarrazin immer noch da ist, warum wir unsere Politiker nicht mehr
verstehen, und weshalb wir »großen Debatten« misstrauen
Der Wochenrückblick mit Hans
Heckel
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Warum klappt das nicht mehr so wie früher?
Sarrazin hat akribisch alles aufgehäuft, was die Ankläger des immerwährenden
politischen Tribunals benötigen, um jemanden fertigzumachen: Spätestens, als er
„Jude“ gesagt hatte und der zuständige Zentralrat das gesellschaftliche
Todesurteil über ihn sprach, hätte der streitbare Ex-Senator erledigt sein
müssen. Und alle, die ihn bis dahin nicht verdammen mochten, hätten das so eilig
und laut wie möglich nachgeholt, um ihre Haut zu retten. Sarrazin steht aber
immer noch, und keiner läuft weg!
Der Mann wurde nicht bloß als „Rassist“ und
„Nazi“ und was noch alles entlarvt, er soll auch überall rausfliegen: Aus der
Bundesbank und der SPD, ja sogar die „Gosos“, der Klub der golfspielenden
Sozialdemokraten (ja, sowas gibt’s), will ihn vom Platz jagen. Beim
Internationalen Literaturfestival in Berlin darf der Autor des Bestsellers der
Saison nicht auftreten, weil der „Migrationsrat“ dagegen ist. Anderswo sagen
Buchhändler Lesungen ab, weil sie sich vor „Sicherheitsbedenken“ nassgemacht
haben. Und im Fernsehen läuft eine Inquisitions-Show nach der anderen.
Kurz und gut: Die weltoffene, tolerante
Zivilgesellschaft zieht alle Register ihrer Wehrhaftigkeit. Aber es passiert
nicht, was bislang immer passierte. Statt ängstlich auf Distanz zu gehen, stellt
sich das Volk in den Diskussionsforen massenhaft und vollkommen unbeeindruckt
vor den Bösewicht hinter Sarrazin. Die Drohungen verpuffen, die Ausgrenzung will
nicht gelingen.
Apropos Ausgrenzung: Ganz Hinterhältige drehen
den Spieß sogar um. Der Ex-Grüne Oswald Metzger hat mithilfe einer eigenen
soziologischen Feldstudie einen alarmierenden Befund zutage gefördert: Nicht nur
gewisse Orientalen, auch unsere Politiker hätten sich von der Gesellschaft
abgewendet und in eine „Parallelgesellschaft“ zurückgezogen.
In „Parallelgesellschaften“ sammeln sich
unintegrierte Randgruppen, um dort, fernab der breiten Masse und weitgehend ohne
Kontakt zu ihr, ein Leben nach ganz eigenen Regeln zu führen. Dort schaffen sie
sich eigene Ghettos wie Duisburg-Marxloh, Hamburg-Billstedt oder
Berlin-Regierungsviertel. Die Ghettojugend meidet den Kontakt mit Gleichaltrigen
von „draußen“ und wird von klein auf in Koranschulen oder
Partei-Jugendorganisationen ganz auf das Leben in der Nische getrimmt. Den
Jungen wird dort früh eine tiefe Verachtung für die Mehrheitsgesellschaft
eingetrichtert, weil diese ungläubig sei respektive keinen
Bundestagsabgeordneten persönlich kenne. Erreichen die jungen Menschen dann das
Erwachsenenalter, sind sie innerlich vollkommen von der Außenwelt entfremdet.
Sie leben scheinbar unter uns, und sind doch meilenweit weg.
Integrationsversuche scheitern zumeist kläglich.
Gelegentliche Berührungen mit der
Mehrheitsgesellschaft verlaufen oft konfliktgeladen. Ursachen für die Konflikte
sind kultur- oder sprachbedingte Missverständnisse, die zu krassen Unterschieden
in der Wahrnehmung der einfachsten Dinge führen können.
Beispielsweise ist Ghettokind Norbert Röttgen
wirklich der Meinung, dass 80 Prozent der CDU-Anhänger Sarrazins Thesen
ablehnen. Hier bedarf es eines versierten Übersetzers, der dem armen Kerl
beibringt, wie tief er im Wald steht. Dabei sollte der Kulturvermittler äußerst
umsichtig vorgehen. Die Stimmung ist schon aufgeheizt genug.
Die Kanzlerin hat es auf den Punkt gebracht:
„Sarrazin spaltet die Gesellschaft!“ Als Angehörige der Parallelwelt wurde sie
vom Mehrheitsvolk natürlich vollkommen missverstanden und schamlos ausgelacht:
„Was? Spalten? Seit dem Mauerfall waren wir uns nicht mehr so einig, nur: Damals
war es Freude, heute ist es Wut, die die Deutschen zusammenbringt.“
Ja, ja, aber das meinte sie doch gar nicht.
Angela Merkel hat uns auf den breiter werdenden Graben zwischen ihrem Ghetto und
unserer Außenwelt hinweisen wollen. Und der ist tatsächlich noch viel
beachtlicher, als wir ahnten.
Und nichts deutet darauf hin, dass die fast zum
Erliegen gekommene Kommunikation zwischen Hüben und Drüben besser werden könnte.
Merkel hat angekündigt, sie wolle die jüngsten Raufereien zum Anlass für eine
„große Integrationsdebatte“ nehmen. Ein hilfloser Versuch der Kontaktaufnahme:
Wir haben nur „große Debatte“ verstanden und legen schon die Ohren an. 2003
hatte Merkel zum Rauswurf von Martin Hohmann (der hatte auch „Jude“ gesagt) eine
„große Patriotismusdebatte“ versprochen. Leider sind zu unserer Seite des
Grabens nicht einmal Gesprächsfetzen dieser „großen Debatte“ durchgedrungen.
Man kann es also drehen und wenden, wie man will,
die Verständigungsprobleme sind derart gravierend, dass ein fruchtbringender
Dialog kaum mehr möglich erscheint.
Hier nur ein weiteres Beispiel für die grotesken
Missverständnisse: Die Mehrheitsdeutschen hatten den Sarrazin-Schock so
verstanden, dass man nun auch einmal nach den Integrationsbemühungen der
muslimischen Zuwanderer fragen solle, statt immer nur die Deutschen zu fordern.
Eine Stimme aus dem Ghetto schnitzt daraus in einem Hamburger Nachrichtenmagazin
den Satz: „Es wird zur großen Aufgabe der Politik in diesem Herbst und darüber
hinaus, die Deutschen mit der Integration zu versöhnen.“ Sehen Sie? Es geht
einfach nicht!
Selbst vordergründig banale Vokabeln wie
„Einzelfall“ und „Gesamtproblem“ erfahren in der Parallelgesellschaft eine
völlig andere Verwendung als bei uns. Wenn sich etwa unter 75 Millionen Menschen
ein paar Dutzend Halunken finden, die Brandsätze gegen Häuser schleudern und
rassistische Parolen grölen, dann nennen wir so etwas „Einzelfälle“. Wenn
hingegen 78 Prozent der Schwerkriminellen in einem Stadtbezirk aus einer Gruppe
stammen, die nur 18 Prozent der Bevölkerung ausmacht, dann sehen wir da ein
Gesamtproblem in jener Gruppe rumoren. Logisch, oder?
Meinen Sie! In der Parallelgesellschaft geht das
genau umgekehrt. Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Politikerin, Vizepräsidentin des
Bundestages, Präses der EKD-Synode und damit gleich mehrfach im Politiker-Ghetto
verankert, hat uns belehrt, dass die Halunken „aus der Mitte der Gesellschaft“
kommen, womit wir irgendwie alle an ihnen schuld seien. Wenn jedoch, wie in
Neukölln, 78 Prozent der Schwerkriminellen Araber und Türken sind, sagt das laut
den Göring-Eckardts und ihren Ghetto-Genossen erst mal gar nichts, weil es sich
um Einzelfälle handele, die man nicht pauschalisieren dürfe.
Frau Göring-Eckardt wird bestimmt dabei sein bei
Angela Merkels „großer Integrationsdebatte“, genauso wie Heerscharen von
Migrationsforschern, Integrationsbeauftragten, Gewerkschaftern, Vertretern von
Immigranten- und Islamvereinen usw. – sprich: das komplette Ensemble unseres
Dialog-Theaters, das schon seit Jahren auf der Bühne steht und immerfort
dasselbe Lied singt.
Dass man gar nicht die Absicht hat, etwas Neues
auf die Bretter zu bringen, haben wir sozusagen staatsoffiziell. Von der
Kanzlerin abwärts bekommen wir seit Wochen zu hören, dass Sarrazin „nur
Altbekanntes aneinanderreiht“ oder aber „Unsinn“ schwafelt. Auf Unsinn will man
in der „großen Debatte“ ja wohl kaum hinaus, und was wiederum „altbekannt“ ist,
muss nicht noch mal aufgerollt werden. Ergo ist auch diese Debatte nur dazu
gedacht, die „Emotionen“ der Mehrheitsbevölkerung zu besänftigen. Man tut so,
als bewege man sich auf uns zu. In Wahrheit soll aber nichts dergleichen
geschehen.
Merkel hat diese Taktik vermutlich von den
Islamkonferenzen gelernt. Nach solchen Konferenzen sind beide Seiten immer
hochzufrieden, weil man wieder „einen großen Schritt weitergekommen“ sei. Wohin?
„Aufeinander zu“, spinnen die einen. Auf den nächsten Moschee-Großbau zu, freuen
sich die anderen.
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