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Und nun spricht Stalin aus den Archiven
Polnischer Historiker Musial belegt, daß die Sowjetunion 1940 Krieg gegen Deutschland wollte, Hitler aber schneller war
von Hans-Joachim von Leesen

Am 15. März 2008 stießen die verdutzten Leser der Tageszeitung „Die Welt“ auf einen umfangreichen Essay mit der Überschrift „Kampfplatz Deutschland – Neue Forschungen können belegen: Nicht nur Hitler plante einen Angriffskrieg auf die Sowjetunion. Auch Stalin rüstete früh auf zum Kampf gegen den Westen“.

Der Autor, der polnische Historiker mit deutscher Staatsangehörigkeit Bogdan Musial, war allen, die die deutsche Alleinschuld am Zweiten Weltkrieg wie eine Monstranz vor sich hertragen, schon einmal übel aufgefallen, als er aufdeckte, daß die von Jan Philipp Reemtsma initiierte und durch Deutschland geschickte Propagandaausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ zu einem Gutteil aus Fälschungen bestand. Reemtsma mußte daraufhin seinen Laden dichtmachen.

Jetzt löckt er schon wieder gegen den Stachel, indem er zunächst in der „Welt“, die sonst eigentlich stets zu den Alleinschuld-Predigern gehörte, die wesentlichen Thesen seiner bald darauf als Buch erschienenen Forschungsarbeiten ausbreitete. Er habe die neuesten Aktenfunde in Moskauer Archiven studiert. Danach sei deutlich geworden, „daß die Sowjetunion seit dem Ende der 20er Jahre ... zum ideologisch bedingten Vernichtungskrieg gegen den Westen intensiv aufrüstete“. Dabei kam Deutschland eine Schlüsselrolle zu. Bis 1930 waren die sowjetischen Streitkräfte umstrukturiert, um für diesen Weltanschauungskrieg gerüstet zu sein. Die sowjetische Kriegswirtschaft erlebte einen rasanten Aufbau. Was dieser Konzeption im Wege stand, wurde von Stalin rücksichtslos beseitigt. Was aus den zugänglichen sowjetischen Quellen eindeutig hervorgeht, wird von den westlichen Historikern und Politikern nicht zur Kenntnis genommen. Für sie gilt immer noch der sowjetische Propagandabegriff von der „friedliebenden Sowjetunion“, die 1941 heimtückisch überfallen worden sei. Ursache dieser Selbstverdummung sei die Angst, es werde der angebliche deutsche „Vernichtungskrieg“ gegen die UdSSR relativiert. Dazu Musial: „Daß jedoch dies die Verfälschung von historischen Fakten rechtfertigt, ist stark zu bezweifeln. Mit wissenschaftlichen Grundsätzen ist es jedoch keinesfalls zu vereinbaren.“

Jetzt ist Musials umfangreiches Buch „Kampfplatz Deutschland“ erschienen. Auf 586 Seiten schildert der Autor das Ergebnis seiner intensiven Forschungsarbeit in ehemals sowjetischen Archiven. Was er in der „Welt“ knapp zusammengefaßt hatte, wird hier ausführlich und schlagend belegt: Die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in den Gebieten der Sowjetunion, die Millionen von Häftlingen in den Zwangsarbeitslagern, die gigantische Ausmaße annehmende Aufrüstung, die brutalen Säuberungen in der Roten Armee, das alles diente zu nichts anderem, als eines Tages zum vernichtenden Schlag auszuholen, den die Sowjetunion gegen Europa führen wollte, um die Weltrevolution zu verwirklichen. Spätestens seit Ende 1940 bereitete sich Stalin intensiv auf den Angriff gegen Deutschland vor. „Im Frühjahr 1941 war Stalin unbestreitbar dabei, entlang der deutsch-sowjetischen Grenze die größte Invasionsarmee aller Zeiten aufzubauen, um im geeigneten Moment seinen deutschen Verbündeten zu überfallen.“

Genau alles das haben deutsche Historiker schon seit Jahrzehnten in gelehrten Büchern dargelegt – von Max Klüver, Walter Pos über Joachim Hoffmann, Ernst Topitsch bis Heinz Magensheimer und Stefan Scheil, wenn sie auch noch nicht über manche der damals noch in sowjetischen Archiven verborgenen Einzelheiten, die Musial jetzt zu Tage gefördert hat, informiert waren. Aber sie kannten den Bolschewismus und sie kannten viele der Basisdokumente über die sowjetische Kriegspolitik. Allerdings ignorierte die beamtete deutsche Geschichtswissenschaft diese Erkenntnisse, weil sie bei der deutschen Alleinschuld bleiben mußte, wie es der damals führende Staatsrechtler Theodor Eschenburg 1960 formulierte: „Bei der Frage nach der Schuld am Zweiten Weltkrieg ... handelt es sich nicht etwa um eine fachhistorische Angelegenheit. Die Erkenntnis von der unbestrittenen und alleinigen Schuld Hitlers ist eine Grundlage der Politik der Bundesrepublik.“

Musial möchte nicht den Revisionisten zugeordnet werden, wohl in der Hoffnung, daß ihm damit die Keule der politischen Korrektheit nicht trifft. So kommt er vorsichtshalber zu dem Schluß – ohne die Behauptung belegen zu können –, daß die Rote Armee erst 1943 zum Angriff angetreten wäre, weil ihre Rüstung noch nicht ganz abgeschlossen gewesen sei. Dann aber hätte sie einen Umfang erreicht, der jeden Versuch, den Angriff zu stoppen, unmöglich gemacht hätte. Trotzdem attestiert er Hitler und der deutschen Führung die Schuld am deutsch-sowjetischen Krieg, weil sie keine Kenntnisse gehabt hätten von der sowjetische Rüstung und dem Truppenaufmarsch.

Das ist eigentlich unter dem Niveau des ansonsten scharfsinnigen Buches. Wir wissen längst, daß der deutschen Seite der Aufmarsch an der Ostgrenze des Reiches sehr wohl bekannt war, wenn auch nicht in seinem ganzen gigantischen Umfang.

Die westlichen Politiker und Historiker beharren bisher immer noch darauf, daß die „friedliebende Sowjetunion“ von Deutschland „überfallen“ worden sei. Tatsachen gegenüber scheinen sie resistent zu sein, und damit liegen sie hinter dem Stand der Forschung – auch und vor allem der von russischen Historikern – zurück.

Musial berichtet – wie vor ihm schon Wolfgang Strauß –, daß in Rußland arbeitende Historiker auf diesem Gebiet sehr viel weiter sind und sehr wohl von Stalins Kriegsplänen Kenntnis nehmen. Die offizielle Politik der russischen Regierung allerdings verkündet nach wie vor die These vom deutschen „Überfall“, um ihr Land nicht zu belasten. (Da handeln die deutschen Regierungen ganz anders.)

Ein Rezensent von Musials Buch meint, er habe ein „wichtiges, Fakten gesättigtes Buch geschrieben, das die Zunft, erst recht die besorgte mediale Öffentlichkeit in Deutschland irritieren wird“.

Wir fürchten, ihm wird dasselbe Schicksal bereitet wie allen anderen historischen Werken, deren Autoren sich nicht an die politische Korrektheit gehalten haben. Sie wurden totgeschwiegen.          

Bogdan Musial: „Kampfplatz Deutschland – Stalins Kriegspläne gegen den Westen“, Propyläen Verlag, Berlin, 2008, geb., 585 Seiten, 29,90 Euro
 

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 21/08 vom 24.05.2008

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