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Deutschlandtreffen der Ostpreußen
−   Ostpreußen lebt   −

Messe Leipzig - 10. und 11. Juni 2000


"Der Heimat geographisch näher"
Von Staatsminister ERWIN HUBER

Ein herzliches bayerisches Grüß Gott Ihnen allen hier im weiten Rund der Messehalle. Bayern, der Bayerische Ministerpräsident und ich persönlich, wir grüßen die Ostpreußen zum diesjährigen Deutschlandtag. Und wenn ich hier, sehr geehrter Herr v. Gottberg, auf die überaus große Zahl der Ostpreußen blicke, dann kann ich mit der Gewißheit nach Bayern zurückfahren: Ostpreußen ist aktiv, Ostpreußen ist vital, Ostpreußen lebt.

Ich bedanke mich herzlich für die Einladung, die ich spontan angenommen habe, auch wenn meine Familie nicht gerade begeistert aufjauchzte, daß ich den Pfingstsonntag fern meiner niederbayerischen Heimat verbringe. Aber im Millenniumsjahr 2000 muß einfach das Patenland bei Ihrem Deutschlandtreffen vertreten sein.

Es ist das erste Deutschlandtreffen der Ostpreußen hier in Leipzig, der alten großen Messestadt Deutschlands. Und wenn man heute nach Leipzig fährt, dann verbindet man mit dieser Stadt Freiheitsstreben und Aufbruch gegen die SED-Diktatur. Die Montagsdemonstrationen in dieser Stadt, der Mut der Leipziger, gerade in den Oktobertagen 1989, bleibt unvergessen. Hier in dieser Stadt mußte das Regime vor der Macht des Volkes zurückweichen. Der Weg zur Deutschen Einheit, zu Demokratie und Rechtsstaat für alle Deutschen, nahm hier in dieser Stadt mit seinen Ausgang.

Sie Treffen sich erstmals in den neuen Ländern. Damit sind Sie sozusagen Ihrer alten Heimat Ostpreußen geographisch ein Stück näher gerückt. Aber sicher freuen sich darüber auch jene Landsleute, die nach Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen in der ehemaligen SBZ bzw. DDR landeten. Wer hätte noch vor gut zehn Jahren gedacht, daß Sie einmal ein Deutschlandtreffen der Ostpreußen in einer Stadt zwischen Ostsee und Erzgebirge erleben würden.

Die Heimatvertriebenen in der DDR wurden vom Regime mundtot gemacht. Sie konnten sich nicht organisieren, sie konnten sich nicht zu Heimattagen Trefen, sie konnten nicht offen ihre Traditionen und Kultur pflegen. All das ist nun für die Heimatvertriebenen hier möglich. Auch die Ostpreußen, die zwischen West und Ost getrennt waren, konnten zueinander finden und sich in der Landsmannschaft vereinen. So bilden gerade auch die Landsmannschaften der Heimatvertriebenen im geeinten Deutschland ein wichtiges Band der inneren Einheit.

Bayern und Ostpreußen liegen zwar geographisch weit auseinander, aber gleichwohl gibt es viele historische und kulturelle Wechselbeziehungen. Es war der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen, der den Hochmeistersitz von Venedig an die Nogat verlegte. Und der letzte Hochmeister war Albrecht von Brandenburg, der den Ordensstaat in das weltliche Herzogtum Preußen umwandelte. So kann man sagen: Der erste Preuße war ein Bayer. Und heute sagt man nicht selten: Die Bayern seien die letzten Preußen.

Vor 22 Jahren, 1987, hat Bayern die Patenschaft über die Landsmannschaft Ostpreußen übernommen. Ministerpräsident Goppel sagte damals beim Festakt: "Sie (die Patenschaft) gründet sich auf das gegenseitige Geben und Nehmen in Kunst und Wissenschaft, aber auch auf das Zusammenstehen in Zeiten innerer und äußerer Not." Damit hat Ministerpräsident Goppel auch auf die Bayerische Ostpreußenhilfe während des Ersten Weltkrieges hingewiesen.

Und ich will hinzufügen: Sie gründet sich auch in der Aufbauleistung der Heimatvertriebenen, darunter ca. 100 000 Ostpreußen, die nach dem Krieg nach Bayern kamen. Daß Bayern heute zu den wirtschaftlich und technologisch führenden Ländern in Deutschland und Europa gehört, ist sicher dem Fleiß, der Tatkraft und dem Können der Heimatvertriebenen zu verdanken. Ich will hier nur den Namen von Kuenheim erwähnen, der unser bayerisches Paradestück, BMW, in seiner Zeit von Erfolg zu Erfolg führte. Davon hat gerade auch meine engere Heimat Niederbayern ganz besonders profitiert.

Die Heimatvertriebenen haben sich voll in den demokratischen Aufbau Deutschlands eingebracht. Viele Ostpreußen haben Verantwortung auf kommunaler, auf landes- und auf bundespolitischer Ebene übernommen. Daß sie sich politisch nach der schrecklichen Flucht und Vertreibung, nach Not und Leid nicht abgekapselt haben, daß sie keine eigenen Wege gegangen sind, sondern in den großen Volksparteien mitwirken und hier ihre politische Heimat fanden, hat der deutschen Demokratie dauerhaft Stabilität gegeben.

Sie haben sich stets zur Werte- und Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekannt. Sie haben sich stets klar von extremistischen Positionen abgegrenzt. Es ist daher dreist und unverschämt, den Heimatvertriebenen immer wieder Revanchismus oder eine verständigungsfeindliche Haltung vorzuwerfen. Es ist böswillig, wenn immer wieder versucht wird, sie in eine bestimmte Ecke abzudrängen. Sie stehen in der breiten bürgerlichen Mitte unseres Volkes.

Es gehört dabei aber nie zu ihrem Selbstverständnis, nur Geschichts- oder Kulturverein zu sein, wie dies die Bundestagsvizepräsidentin, Frau Vollmer, jüngst vorgebracht hat. Frau Vollmer will sie entpolitisieren. Ihr Hineingehen in die Volksparteien hat sie nicht zu politischen Eunuchen gemacht, im Gegenteil: Die Heimatvertriebenen wollen mitwirken und mitgestalten, und sie tun es auch. Sie erheben zu Recht den Anspruch, ihre politischen Haltungen in den Meinungsbildungsprozeß in Deutschland und im zusammenwachsenden Europa einzubringen. Und dabei werden sie von der Bayerischen Staatsregierung, vom Bayerischen Ministerpräsidenten und von mir unterstützt.

Wenn die Bayern eine Patenschaft übernehmen, dann stehen sie auch dazu. Wir steigen nicht aus oder ziehen uns zurück, wie das anderswo geschehen ist. Wir halten solidarisch zu den Heimatvertriebenen.

Die Heimatvertriebenen insgesamt haben stellvertretend für alle Deutschen besonders bitter für den Krieg und die NS-Verbrechen büßen müssen. Als Deutsche stehen wir insgesamt in der Verantwortung für jene, die durch die NS-Verbrechen gelitten haben, aber auch für jene in unserem Volk, die deswegen umso härter die Vergeltung spürten, obwohl sie persönlich keinerlei Schuld traf.

Zur geschichtlichen Wahrheit gehört doch, daß das eine Verbrechen das andere Verbrechen mit ausgelöst hat, daß aber das eine Unrecht das andere Unrecht niemals rechtfertigen kann. Jedes Unrecht steht für sich und muß als solches aufgearbeitet werden.

Das von Deutschland den östlichen Nachbarvölkern während des Krieges zugefügte Leid darf nicht den Blick versperren auf das Leid, das die Deutschen im Osten nach dem Krieg erdulden mußten. 15 Millionen von ihnen wurden vertrieben, zwei Millionen verloren dabei ihr Leben.

Darüber darf die Weltgeschichte nicht einfach hinweggehen. Darüber dürfen auch die Polen oder die Tschechen nicht einfach hinweggehen und sagen, das sei eine Angelegenheit der Historiker. Nein, meine Damen und Herren, das ist eine Sache der Poliker. Es gibt aus der Vergangenehit noch offene Fragen, noch Belastungen, die aus dem Weg geräumt werden müssen. Dieser Appell richtet sich nicht nur an Prag oder Warschau, sondern sehr wohl auch an Berlin.

Deshalb darf unter das, was Ihnen geschehen ist, kein billiger Schlußstrich gezogen werden. Wer wie der Bundeskanzler sagt, man betrachte die Vertreibung als eine "abgeschlossene historische Epoche", der handelt kaltschnäuzig Ihnen und Ihrem Schicksal gegenüber. Wer so spricht, der drückt doch aus, daß ihn die Anliegen der Heimatvertriebenen wenig berühren.

Das ist ein Schlag in das Gesicht von Millionen von Menschen, die die Vertreibung erlebt haben. Kein deutscher Politiker würde derartiges sagen – und zu Recht nicht sagen –, der im französischen Oradour, im tschechischen Lidice, im griechischen Kalavitra oder im italienischen Fosse Adriatine steht.

Vor wenigen Wochen hat Bundespräsident Rau im griechischen Kalavitra gesagt: "Nur wer seine Vergangenheit kennt und annimmt, kann den Weg in eine gute Zukunft finden." Das ist ein richtiger, ein allgemein gültiger Satz, der auch für den Brünner Todesmarsch, für das Lager in Lamsdorf in Schlesien oder für die Geschehnisse in Ostpreußen gilt. Das ist ein Satz, mit dem die Heimatvertriebenen und die Polen gemeinsam in eine europäische Zukunft gehen können.

Wir in Bayern bekennen uns zu dieser gesamtdeutschen Verantwortung. Deswegen haben wir auch die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen und die Patenschaft über die Landsmannschaft Ostpreußen übernommen. Und eine Patenschaft bringt Verpflichtungen. Wir fördern die ostpreußischen Einrichtungen in Bayern, in Ellingen und in Oberschleißheim. Zusammen mit der Projektförderung erhalten die Ostpreußen rund 320 000 DM in diesem Jahr.

Beeindruckt bin ich davon, was die Ostpreußen selbst leisten. 700 000 DM haben sie bisher nach Ellingen gegeben. Das ist eine großartige Eigenleistung, die mir hohen Respekt abnötigt.

Allerdings will ich hier nicht verhehlen, daß uns Oberschleißheim gegenwärtig Sorgen macht, obwohl sie auch dort kräftig geholfen haben. Mit Herrn v. Gottberg habe ich erst vor 14 Tagen in München darüber gesprochen.

Freilich, noch weit mehr Sorgen macht uns auf kulturellem Gebiet Staatsminister Naumann. Denn einmal kürzt er gewaltig die Förderung des Bundes nach dem Bundesvertriebenengesetz, zum anderen zerschlägt er auch bewährte Sturkturen, gerade in der vielfältigen Breitenarbeit. Doch die kulturelle Breitenarbeit ist für Menschen, die in ganz Deutschland zerstreut leben, besonders wichtig. Gerade hier trifft Naumann ihre Identität, wohl ganz bewußt. Die ursprüngliche Konzeption Naumanns hat einhellige Ablehnung erfahren, im Inland ebenso wie – und das halte ich für ganz bemerkenswert – auch bei den östlichen Nachbarstaaten – gerade auch in Polen. Staatsministerin Barbara Stamm als unsere zuständige Ministerin hat die Konzeption Naumanns einmal "bedenkenlos, ahnungslos, verantwortungslos" genannt.

Die deutsche Geschichte und Kultur im Osten ist keine Fußnote der Geschichte, sondern ein integraler Bestandteil der gesamtdeutschen und europäischen Geschichte. Man muß damit so umgehen, wie es eines Kulturstaates würdig ist. Das erfordert auch die Achtung vor den Leistungen Ihrer Vorfahren. Es ist ein grundsätzlich falscher Ansatz, Kulturarbeit zu zentralisieren und regionale Vielfalt als ausschließlich finanzielle Last zu betrachten statt als Bereicherung.

Staatsminister Naumann sollte einmal bei dem ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss nachleßen, der 1951 zum Kulturbeitrag der Heimatvertriebenen gesagt hat: Es muß das Wissen lebendig bleiben "um den Beitrag gerade Ihrer Welt für die deutsche Geschichte, damit sie nicht nur als Fordernde oder gar Bettelnde vor uns erscheinen, sondern als stolze Besitzer und Verwahrer von Kräften und Überlieferungen, ohne die Deutschland, ohne die die Welt ärmer geblieben wäre."

In der Tat: Ostpreußen hat den Deutschen viel gegeben, wenn ich nur an Immanuel Kant oder Johann Gottfried Herder denke.

In der großen Tradition Ostpreußens stehend, haben Sie auch hier bei uns ein reiches Kulturleben entfaltet. Die Ostpreußen sind traditions- und geschichtsbewußt. Ausgeprägtes Traditionsbewußtsein und Weltoffenheit, beides verbindet Bayern und Ostpreußen. Ein Leben in und mit der Tradition bedeutet doch zugleich ein bewußtes Leben nach vorn. So wie ein Baum feste Wurzeln braucht, um zu blühen, so braucht auch der Mensch Verwurzelung, um sich in seinem Menschsein voll zu entfalten.

Wir in Bayern sehen daher in der Wahrung und Weiterentwicklung des geschichtlichen und kulturellen Erbes der Heimatvertriebneen eine Aufgabe von Rang und Dauer für einen Kulturstaat wie Deutschland. Ich hoffe sehr, und Bayern wird dafür alles tun, daß der gesellschaftliche Konsens darüber erhalten bleibt. Wer werden mit Naumann weiter um die besten Konzeptionen für Ihre Kulturarbeit streiten. Darauf können Sie sich verlassen.

Die Wende in Europa machte es möglich, nun auch über die Grenzen hinweg Kulturarbeit in Ihrer alten Heimat zu betreiben. Ich weiß sehr wohl, daß die Ostpreußen von Anfang an beherzt und mit großem Engagement Kulturarbeit ebenso wie humanitäre Hilfe für die Landsleute in der Heimat geleistet haben und noch immer leisten.

Dabei haben sie es besonders schwer, denn Ihre Heimat ist heute dreigeteilt.

Auf Einladung der Landsmannschaft  Ostpreußen sprach Staatsminister Erwin Huber als Gastredner während des Deutschlandtreffens der Ostpreußen in Leipzig in der Haupthalle auf dem Neuen Messegelände. Staatsminister Erwin Huber, der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei ist, sprach damit zugleich als Vertreter Bayerns, das seit 1987 Patenland für Ostpreußen ist.

Jeder von uns weiß, wie schwer gerade die Situation im nördlichen Ostpreußen ist, das über 40 Jahre völlig von der Welt abgeschnitten war. Und dennoch wächst dort Dank Ihrer vielfältigen Hilfen der Dom zu Königsberg aus Ruinen mächtig empor. Der Dom wird so zum Symbol Ihrer tiefen Liebe zur alten Heimat, aber auch zum Symbol Ihrer Kraft, 55 Jahre nach Flucht und Vertreibung in Ihrer alten Heimat aktiv zu wirken.

Die grenzüberschreitende Kulturarbeit ist also wichtig, damit zum einen die bedeutendsten Zeugnisse der deutschen Kultur in ihrer Heimat für die Nachwelt, für Europa erhalten bleiben. Sie ist aber auch deswegen wichtig, damit die Deutschen, die heute noch ist Ostpreußen leben, kulturell gestärkt werden und zu ihrer Identität finden. Und wie ich höre, festigt sich die Minderheit zunehmend und führt ein reges Leben.

Der Freistaat Bayern engagiert sich auch hier, sowohl im nördlichen wie im südlichen Ostpreußen. Schwerpunkt unserer gegenwärtigen Aktivitäten ist das Begegnungszentrum für die deutsche Minderheit in Allenstein, für das wir etwa 100 000 DM in diesem Jahr zur Verfügung stellen. Dieses Haus Kopernikus wird ja im Herbst in Anwesenheit von Frau Staatsministerin Stamm eingeweiht werden. Insgesamt fließen jährlich circa 160 000 DM aus Bayern nach Ostpreußen. Das ist eine kleine Ostpreußenhilfe wie anno 1915.

Das Jahr 1990 hat ein neues Kapitel in der europäischen Geschichte aufgeschlagen. Seitdem kann der gespaltene Kontinent zusammenwachsen. Seitdem erst besteht die Möglichkeit, daß sich die Deutschen und die östlichen Nachbarvölker gemeinsam einer friedlichen Zukunft in Europa zuwenden. Was mit Frankreich und den anderen westlichen Staaten in den 50er Jahren begann, das konnte nach Osten hin erst 45 Jahre nach Kriegsende beginnen. Und der Weg der Verständigung ist schwierig, weil die Menschen sich unendlich viel Leid zugefügt haben.

Die Heimatvertriebenen haben nicht erst seit 1990 die Hand zur Versöhnung ausgestreckt. Mit ihrer Charta von 1950, nur fünf Jahre nach dem Krieg, haben sie sich zu einem gemeinsamen Europa bekannt, daß keine Vertreibung mehr kennt, sehr wohl aber das Recht auf Heimat, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

Nur ein an Werten orientiertes Europa ist ein zukunftsfähiges Europa. Nur ein Europa, in dem die Völker mit sich selbst und untereinander im Reinen sind, kann dauerhaft gute Nachbarschaft ausbilden. In diesem gesamten Wertekosmos müssen gerade auch jene Völker und Volksgruppen eingebunden sein, die die Inhumanität Europas im 20. Jahrhundert erfahren haben.

Die Charta von 1950 hat die Heimatvertriebenen mit zu einem Baumeister einer europäischen Wertegemeinschaft gemacht. Und wenn es jetzt um die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten hin geht, dann dürfen bei all den schwierigen ökonomischen und agrarpolitischen Fragen drei Punkte keinesfalls unter den Tisch fallen:

1. Wie sieht es in Europa mit dem Recht auf Heimat aus?

2. Gibt es in diesem Europa noch Dekrete und Gesetze, die völkerrechtswidrig und diskriminierend sind?

3. Wie sieht es mit der Beteiligung jener aus, das gilt für beide Seiten, die im vergangenen Jahrhundert in diesem Europa besonders gelitten haben?

Bei all diesen Fragen geht es nicht um die Monetik, sondern um die Ethik in Europa, um ein Wort des Oppelner Erzbischofs Nossol aufzugreifen, das dieser jüngst in München gesprochen hat.

Zum ersten Punkt: Recht auf Heimat. "Ohne Heimat sein, heißt leiden", schrieb einmal der russische Schriftsteller Dostojewski. Wer hätte das schmerzlicher erfahren als Sie, liebe Ostpreußen. Sie wurden aus Ihrer Heimat vertrieben. Sie waren heimatlos und haben unendlich viel gelitten. Sie wissen, was Heimatverlust für den Menschen existentiell bedeutet.

Lange war ja der Begriff Heimat verpönt. Er galt als rückständig, zurückgeblieben, provinzhaft. Aber heute, in einer Zeit der Globalisierung, wird den Menschen Heimat wieder wichtiger. Heute, nach den erneuten Vertreibungen auf dem Balkan, erkennen viele Menschen und Staaten in Europa, wie wichtig Heimat für den Menschen, für seine Orientierung, für seinen Lebensweg ist. In der Heimat erleben die Menschen Nachbarschaft. Heimat gibt Vertrautheit, und Vertrautheit schafft Geborgenheit. Heimat gibt den Menschen Identität und Unverwechselbarkeit. Heimat verhindert, daß Menschen anonym bleiben.

Die Heimatvertriebenen haben in ihrer Charta auf den Wert und die Bedeutung des Heimatrechtes hingewiesen. Sie sagten damals, daß der Mensch geistig getötet werde, wenn er aus seiner Heimat vertrieben wird.

Die Bayerische Staatsregierung hat dieses Heimatrecht immer bejaht und vertreten. Wie Sie vielleicht wissen, wird gegenwärtig in der Europäischen Union über eine EU-Grundrechtscharta diskutiert. Die Staatsregierung hat dabei das Recht auf Heimat auf die Verhandlungs-Agenda gesetzt.

Denn wir meinen: Mit Blick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit den schrecklichen Massenvertreibungen, mit Blick auf die jüngste Geschichte auf dem Balkan, muß sich Europa ausdrücklich zum Recht auf Heimat bekennen.

Heimatrecht ist mehr als Niederlassungsfreiheit. Heimatrecht umfaßt das Recht in seiner angestammten Heimat zu leben oder dorthin zurückkehren zu können.

Wir alle wissen dabei, 55 Jahre nach der Vertreibung kann kein Status quo ante wiederhergestellt werden. 55 Jahre nach der Vertreibung darf Heimatrecht niemanden anderen bedrohen, der jetzt in Ihrer alten Heimat lebt. Aber das Heimatrecht in einer EU-Grundrechtscharta wäre weithin ein Signal für das Recht der Völker dieser Erde.

Ich möchte in diesem Zusammenhang die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright zitieren, die in der Welt vom 23. März 2000 zum Kosovo-Krieg schrieb: "Wir haben die machtvolle Nachricht verbreiten können, daß ethnische Säuberung nicht nur ein Verbrechen ist, sondern sinnlos, weil ihre Verfechter der Isolation und Verachtung anheim fallen". Genau diese Botschaft muß von Europa ausgehen. Deswegen gehört das Recht auf Heimat in die EU-Grundrechtscharta. Bayern wird sich jedenfalls mit Nachdruck dafür einsetzen.

Und erfreulicherweise bemühen sich ja auch Staaten im östlichen Europa, dem Heimatrecht Geltung zu verschaffen. Allen voran hat der estnische Staatspräsident Meri schon frühzeitig die Deutschen zur Rückkehr in seine Heimat eingeladen. Litauen hat es ebenfalls getan, Ungarn ebenso. Diese Staaten haben damit deutliche Zeichen dafür gesetzt, daß sie Unrecht heilen wollen. Ihr Vorbild darf durchaus in Polen und in der Tschechischen Republik nachgeahmt werden.

Zum Zweiten: Völkerrechtswidrige und diskriminierende Dekrete und Gesetze. 1993 hat die Europäische Union in Kopenhagen Maßstäbe und Kriterien festgelegt, die für alle Beitrittskandidaten gültig sind. Die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Menschenrechte und der Minderheitenschutz sind und bleiben der Maßstab. Und da sage ich ganz klar: Weder die Dekrete und Gesetze in der Tschechischen Republik noch die Dekrete und Gesetze in Polen sind mit einer rechtsstaatlichen europäischen Ordnung vereinbar. Die Europäische Union kann eigentlich unmöglich etwas dulden und legalisieren, was einhellig als völkerrechtswidrig angesehen wird. Das wäre ein schwerer Konstruktionsfehler am gemeinsamen Haus Europa. Die Aufhebung derartiger diskriminierender und völkerrechtswidriger Dekrete würde doch heute bedeuten, anzuerkennen, daß die kollektive Vertreibung der Deutschen ein Unrecht war. Das demokratische Polen nähme dadurch seine ganze Geschichte an, so wie auch wir die dunklen Seiten unserer Geschichte annehmen und nicht wegdrücken.

Jetzt, 10 Jahre nach der Wende in Europa, wäre die Situation für Polen günstig, ernsthaft ein Zeichen in diese Richtung zu setzen. Dieses Zeichen wäre um so höher zu schätzen, wenn es aus freiem Antrieb käme. Ich baue darauf, daß sich das polnische Volk, das sich ja durchaus immer mehr dem Thema Vertreibung öffnet, im Zuge des Beitrittsprozesses zur Europäischen Union sich von völkerrechtswidrigen Dekreten verbindlich trennen wird, die Ausdruck einer unseligen Vergangenheit sind.

Der Beitritt Polens zur Europäischen Union ist grundsätzlich gewollt. Polen ist ein Eckpfeiler des christlichen Abendlandes und des gesamteuropäischen Kulturkreises. Polen gehört zum Urgestein Europas. Polen war auch immer ein Land, das nach Freiheit strebte. Es hatte die erste Verfassung in Europa. Es hat immer wieder versucht, das kommunistische Joch abzuschütteln.

Es ist daher eigentlich der großen Tradition des freiheitsliebenden Polen unwürdig, auf völkerrechtswidrigen und diskriminierenden Dekreten zu beharren. Ich glaube, das erkennen immer mehr Menschen in Polen.

Und lassen Sie mich hier noch einen Gedanken einfügen. Es paßt überhaupt nicht zusammen, daß die Bundesregierung gegenüber den östlichen Nachbarstaaten die völkerrechtlichen und diskriminierenden Dekrete offenkundig nicht mehr zur Sprache bringt, aber zugleich unseren Nachbarn Österreich der Verletzung "europäischer Werte" schilt. Verletzen denn die polnischen oder tschechischen Dekrete, aufgrund derer die Deutschen ausgebürgert, enteignet und vertrieben wurden, nicht die europäischen Wertemaßstäbe? Eine derartige Politik, die mit zweierlei Maß mißt, macht sich unglaubwürdig.

Zum Dritten: Es bricht sich niemand einen Zacken aus der Krone, wenn die Heimatvertriebenen in den Dialog um die Zukunft Europas auch von östlicher Seite her mit eingebunden werden. Die Heimatvertriebenen selbst bemühen sich um diesen Dialog. Schon dreimal fanden Gespräche der ostdeutschen Landsmannschaften mit hochrangigen Vertretern polnischer Parteien in Warschau statt. Hier sind die Heimatvertriebenen mit Warschau weiter als die Sudetendeutschen mit Prag. Das ist grundsätzlich der richtige Weg und die richtige Entwicklung.

Es wäre schön, wenn sich dieser Dialog verstetigen könnte und auch von der Bundesregierung begleitet würde. Betroffene zu Beteiligten machen, zu Mitgestaltern am europäischen Haus, das wäre dem demokratischen, offenen und wertorientierten Europa durchaus angemessen.

Dieses Deutschlandtreffen der Ostpreußen zeigt aller Welt: Sie stehen in Treue und Liebe zu Ihrer alten Heimat, dem "Land der dunklen Wälder und kristallnen Seen". Ostpreußen ist und bleibt Ihr Auftrag, unser gemeinsames Erbe. Sie tragen Ihre Heimat im Herzen. Ostpreußen liegt in jedem einzelnen von Ihnen. Treu zur Heimat zu stehen und zugleich für die Verständigung in Europa zu arbeiten, das ist kein Widerspruch, im Gegenteil. Das ist eine großartige Leistung und Herausforderung auch für die Zukunft.

Ein französischer Politiker sagte einmal: "Tradition pflegen heißt nicht, Asche aufbewahren, sondern die Glut am Glühen halten". Ich bin sicher, die Ostpreußen haben auch weiterhin die Kraft und Vitalität, die "Glut am Glühen" zu halten. Bleiben Sie daher weiterhin so engagiert wie bisher! Meine guten Wünsche begleiten die Ostpreußen.

Der Freistaat Bayern als Patenland der Landsmannschaft Ostpreußen wird Sie auch künftig vertrauensvoll, verläßlich und glaubwürdig begleiten. Diese Versicherung dürfen Sie von Leipzig mit nach Hause nehmen.

Allen Ostpreußen ein herzliches Glück auf!

Auf Einladung der Landsmannschaft Ostpreußen sprach Staatsminister Erwin Huber als Gastredner während des Deutschlandtreffens der Ostpreußen in Leipzig in der Haupthalle auf dem Neuen Messegelände. Staatsminister Huber, der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei ist, sprach damit zugleich als Vertreter Bayerns, das seit 1987 Patenland für Ostpreußen ist.

Quellen:
Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Juni 2000;
Das Ostpreußenblatt  / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. Juni 2000



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