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Alles fließt: Die berühmten Wasserkaskaden unterhalb des Herkulesmonuments

Kasseler Gesamtkunstwerk
Beim Deutschlandtreffen der Ostpreußen im Mai auf keinen Fall verpassen: das Unesco-Weltkulturerbe »Bergpark Wilhelmshöhe«
von Veit-Mario Thiede

Der Duft von Strauch- und Kletterrosen steigt dem Besucher unterhalb des Schlosses Wilhelmshöhe in die Nase − und am Herkules schnuppert er Höhenluft. Schon Bismarcks Leibarzt Schweninger stellte fest, dass im Bergpark Wilhelmshöhe jeder Atemzug einen Taler wert sei. Letztes Jahr wurde Kassels ganzer Stolz in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Welt aufgenommen. Das Unesco-Komitee würdigt den mit 245 Hektar größten Bergpark Europas als Gesamtkunstwerk mit weltweit einzigartigen Wasserspielen, packenden Parkbildern und herausragenden Kunstsammlungen.

Benannt sind Park und Schloss nach dem Landgrafen von Hessen-Kassel, Wilhelm IX., der 1803 als Wilhelm I. zum Kurfürsten erhoben wurde. Seine dreiflügelige Schlossanlage beherbergt im Mittelbau eine bedeutende Antikensammlung und die Gemäldesammlung Alter Meister, die internationalen Ruf genießt. Den verdankt sie vor allem den Meisterwerken der flämischen und holländischen Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Neben Frans Hals, Anton van Dyck und Jacob Jordaens sind Rubens und Rembrandt mit herausragenden Gemälden vertreten. Sehenswert ist auch der Weißensteinflügel: 23 historisch eingerichtete Räume vermitteln vom Schlafzimmer bis zum Thronsaal einen lebendigen Eindruck fürstlicher Wohn- und Repräsentationskultur.

Vom Schloss aus überblickt man den gesamten Landschafts­park. Links ragt auf halber Berghöhe die Löwenburg auf. Sie ist weit mehr als eine romantische Staffage. Ihr Bauherr war Landgraf Wilhelm IX., der die als künstliche Ruine errichtete Ritterburg zu seinem bevorzugten Wohnsitz auserkoren hatte.

Die Löwenburg ist unter Wiederverwendung originaler gotischer Architekturteile aus vielen Einzelbauten zusammengefügt, die sich beim Umrunden der Anlage oder beim Rundblick im Innenhof in immer neuen malerischen Ansichten darbieten. Einige Räume des als Ritterburg verkleideten Lustschlösschens, das Wilhelm IX. und seiner Mätresse als Liebesnest diente, können besichtigt werden. In der Rüstkammer sind Waffen und Rüstungsteile des 16. und 17. Jahrhunderts ausgestellt. Die Burgkirche ist mit Glasmalereien aus dem 14. und 16. Jahrhundert sowie mit christlichen Gemälden des 16. und 17. Jahrhunderts ausgestattet. In der Gruft unter der Kirche wurde der Bauherr zur letzten Ruhe gebettet.

Zwei Vorgänger Wilhelms IX. haben entscheidende Beiträge zur Ausgestaltung des Bergparks geleistet. Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel sorgte um 1775 für frühromantisch-sentimentale Kleinbauten wie die Einsiedelei des Sokrates und das Grabmal des Vergil. Sie liegen versteckt an verschlungenen Wegen, und das Erstaunen ist groß, wenn man sie unversehens entdeckt. Weithin sichtbar überragt hingegen Kassels Wahrzeichen − das barocke Herkulesmonument − den Bergpark. Sein Bauherr Landgraf Karl ließ auf dem Bergplateau des Habichtswaldes ein 40 Meter hohes steinernes Oktogon errichten. Auf ihm strebt eine 26 Meter hohe Pyramide empor. Den bekrönenden Abschluss bildet auf drei Meter hohem Sockel eine über acht Meter aufragende Statue des Herkules. Der von 1713 bis 1717 aus Kupferblechen zu­sammengesetzte Koloss gilt als frühes Spitzenwerk europäischer Monumentalskulptur. Gelassen auf seine Keule gestützt, blickt der Halbgott auf den Bergpark und die Stadt Kassel hinab.

Mittwochs und sonntags bietet sich dem Halbgott und allen Besuchern des Bergparks ein weltweit einzigartiges Wassertheater dar. Mehr als 750000 Liter Wasser rauschen zu Füßen des Herkulesmonuments die großen Kaskaden hinab. Sie lassen die Blasinstrumente von steinernen mythologischen Gestalten ertönen, steigen in Fontänen auf, stürzen unter der Teufelsbrücke und von dem als Ruine erbauten Aquädukt steil in die Tiefe. Den triumphalen Abschluss der Wasserspiele bildet eine 50 Meter aufschießende Fontäne.

Der Bergpark Wilhelmshöhe ist ein Werk der hessischen Landgrafen. Deren Territorium wurde 1866 von Preußen annektiert und die Wilhelmshöhe zum Krongut der Hohenzollern erklärt. Der Kaiser Wilhelm II. erkor sie zu seiner Sommerresidenz. Seit Kaisers Zeiten ist der Bereich um das Schloss mit Teppichbeeten geschmückt. Mit diesen farbenprächtigen geometrischen Pflanzungen hat die gartenkünstlerische Gestaltung des Bergparks ihren krönenden Abschluss gefunden.

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, 16/14 v.19.04.2014


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