Auch sie waren Widerständler
Kurzporträts von vergessenen Helfern des 20. Juli 1944
von Jan Heitmann

Der Widerstand gegen das NS-Regime wird in erster Linie mit Namen wie Stauffenberg, Beck, Olbricht oder Tresckow in Verbindung gebracht. Viele andere, die gleich ihnen viel riskiert und viel verloren haben, sind dagegen weitgehend unbekannt. Die Grünen-Politikerin und langjährige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer und der Journalist Lars-Broder Keil stellen in zehn Porträts einige von „Stauffenbergs Gefährten“, so der Buchtitel, vor. Darunter finden sich so unterschiedliche Menschen wie der ostpreußische Gutsherr Heinrich Graf zu Dohna-Tolksdorf, der liberale Weltbürger Albrecht Graf von Bernstorff, die Schreibkraft Margarethe von Oven, der unerschrockene General Erich Fellgiebel oder der überzeugte Katholik Randolf von Breidbach-Bürresheim. Für ihre Lebensbilder haben die Autoren sorgfältig recherchiert, mit den letzten noch lebenden Zeitzeugen gesprochen und Bilder aus Privatbesitz beschafft. Sie nähern sich ihren Protagonisten unvoreingenommen und mit viel Einfühlungsvermögen. So haben sie sehr differenzierte, lebendige, bewegende und bisweilen geradezu anrührende Porträts geschaffen.

Die Autoren räumen auch mit hartnäckigen Legenden und ungerechten Urteilen auf. Beispielhaft sei hier der Fall des Erich Fellgiebel genannt, der bis heute als mitverantwortlich für das Scheitern des Attentats vom 20. Juli 1944 gilt, weil es ihm nicht gelungen sei, die Nachrichtenverbindungen nach Rastenburg zu kappen. Die Autoren arbeiten deutlich heraus, dass es ihm nicht an persönlichem Mut gefehlt hat und er auch kein Versager war, sondern dass er letztlich an seiner eigenen Professionalität scheiterte. Als unumschränkter Herr über alle Nachrichtenmittel des Heeres hatte er diese nämlich gerade so aufgebaut, dass sie eben nicht ohne weiteres zu unterbrechen waren. Dieser Perfektionismus sollte sich in jenen entscheidenden Stunden als verhängnisvoll erweisen.

Wo es Grund zur Kritik an bestimmten Handlungen einzelner gibt, wird diese unmissverständlich aber verbindlich in der Formulierung geübt. So erfährt der Leser beispielsweise in dem Kapitel über Breidbach-Bürresheim, dass Hans von Dohnanyi einige seiner Mitverschwörer ans Messer geliefert hat, indem er schriftliche Unterlagen über Aktivitäten des Wiederstandes trotz wiederholter Aufforderung nicht vernichtet, sondern sie vielmehr sogar noch ordentlich archiviert hat.

Die kurzen Biografien werden ergänzt durch einen Bericht von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker über seine Begegnungen mit Beteiligten am Widerstand und ein Interview der Autoren mit dem kürzlich verstorbenen Ewald von Kleist, zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buches der letzte noch lebende Teilnehmer am Attentat vom 20. Juli. Das Buch ist flüssig geschrieben, spannend zu lesen und eine wichtige Ergänzung der Literatur zum Widerstand gegen das NS-Regime.

Antje Vollmer, Lars-Broder Keil: „Stauffenbergs Gefährten. Das Schicksal der unbekannten Verschwörer“, Hanser Berlin, München 2013, gebunden, 256 Seiten, 19,90 Euro

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, 29/13, 20.07.2013