Vertrauen beschädigt: Polens Verteidigungsminister Antoni Macierewicz (l) und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski.
Vertrauen beschädigt: Polens Verteidigungsminister Antoni Macierewicz (l) und PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski.

Wenn Warschau zündelt
Ein heikles Spiel: Wer Reparationen fordert, provoziert Grenzdebatten
von Hans Heckel

Die neuesten polnischen Reparationsforderungen sind zwar lächerlich. Dennoch können sie einigen Schaden anrichten.

Führende Vertreter der polnischen Regierungspartei PiS haben von Deutschland Reparationen wegen des Zweiten Weltkriegs gefordert, so auch Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, ein enger Vertrauter von PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski.

Berlin wies die Forderungen postwendend zurück. Polen habe bereits 1953 endgültig auf derlei Forderungen verzichtet und dies nach dem Ende der sowjetischen Vorherrschaft mehrfach bekräftigt. Schon im vergangenen Jahr hatte daher der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier entsprechende Drohungen seitens Kaczynski mit den Worten abgeschmettert, die Reparationsfrage sei „rechtlich und politisch abgeschlossen“.

Was die polnische Seite zu derlei abenteuerlichen wie aussichtslosen Vorstößen motiviert, darüber kann nur spekuliert werden. Möglicherweise handelt es sich um eine Retourkutsche. Von deutschen wie anderen (west)europäischen Politikern waren (auch finanzielle) EU-Sanktionen als Druckmittel ins Gespräch gebracht worden, um Polen zur Aufnahme von Asylsuchern zu drängen. Dies wurde an der Weichsel als Erpressung und Anmaßung empfunden.

Dessen ungeachtet stellt die neuerliche polnische Provokation eine gewaltige Dummheit dar. Die PiS-Politiker beschwören die Gespenster der Vergangenheit herauf und beschädigen so das Vertrauen zwischen beiden Völkern.

Plötzlich ist die Oder-Neiße-Grenze wieder Thema

Zwar haben die deutschen Vertriebenenverbände klipp und klar auf alle Rückgabeansprüche auf die Deutschland entrissenen Ostgebiete verzichtet. Dennoch haben die polnischen Forderungen umgehend eine verblüffend ausgedehnte Debatte über die (historisch erledigte) Ostgrenzenfrage in Leserbriefspalten und Internetforen auch großer deutscher Leitmedien entfacht.

Hintergrund ist, dass die Anerkennung des Verlustes der historischen Ostgebiete von nicht wenigen Deutschen als größte Reparationsleistung der Geschichte angesehen wird. Darüber hinaus gehende Forderungen erscheinen hier als Anlass, über die betreffenden Gebiete erneut zu reden.

Dies könnte wiederum auf polnischer Seite Befürchtungen nähren, die deutschen Nachbarn hätten sich womöglich doch nicht so endgültig mit der heutigen Grenze abgefunden, wie sie es vertraglich und in unzähligen Erklärungen zugesichert haben. Der Teufelskreis des Misstrauens wäre eröffnet.

Soweit dürfen es die besonnenen Geister beiderseits der Grenze nicht kommen lassen. Deutschland ist Polens wichtigster Nachbar, für Deutschland ist Polen die zumindest zweitgrößte Nation, an die unser Land direkt grenzt. Berlin wie Warschau sollten ihr Verhältnis weder mit lächerlichen Reparationsforderungen noch mit anmaßenden Tönen in der Asylfrage vergiften.
 

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 32 / 11.08.2017

 


Tschechien schließt sich Reparationsforderungen an Deutschland nicht an

Die polnische Diskussion um Reparationsforderungen an Deutschland findet in Tschechien keinen Widerhall. Man müsse beachten, dass diese Angelegenheit in den deutsch-tschechischen Beziehungen kein Thema sei, sagte Präsident Miloš Zeman der Zeitung Lidová noviny am Montag. Zeman verwies auf die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997, die er sehr wertschätze. Auch Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) unterstrich, man habe die Vergangenheit den Historikern überlassen, um sich der Zukunft zu widmen. Das habe sich reich ausgezahlt, und es gebe keinen Grund, daran etwas zu ändern.

Quelle:
Quelle: Radio Prag Newsletter (14.08.2017)

 

BdV-Presseerklärung
Polnische Reparationsforderungen entbehren rechtlicher und moralischer Legitimität
Kluge und besonnene Reaktionen sind geboten

Zu den öffentlichen Debatten über Reparationsforderungen der polnischen Regierung an Deutschland erklärt BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB:

Die derzeit ins Gespräch gebrachten Reparationsforderungen der polnischen PiS-Regierung an Deutschland entbehren jeder rechtlichen und moralischen Legitimität. Die PiS bringt dieses Thema als gezielte Provokation in der heißen Wahlkampfphase in Deutschland auf. Darauf sollte hierzulande niemand hereinfallen.

Unsere jüngere gemeinsame Geschichte umfasst mehr als den von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, worunter auch Polen zu leiden hatte. Sie umfasst auch den Ersten Weltkrieg und seine Folgen. Sie umfasst das Unrecht von Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Und sie umfasst völkerrechtlich bindende Verträge seit der Nachkriegszeit bis hin zum deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag, zum deutsch-polnischen Grenzvertrag und zum EU-Beitritt Polens. Gemeinsam haben beide Länder seit dem Fall des Eisernen Vorhanges ein gutes und stabiles Verhältnis aufgebaut.

Gerade deshalb sind kluge und besonnene Reaktionen geboten, wie unsere Bundesregierung sie mit der nüchternen Ablehnung derartiger Reparationsforderungen jetzt gezeigt hat. Dafür sind wir dankbar.

Statt innen- und außenpolitisch zu provozieren bleibt die PiS-Regierung aufgefordert, die Verpflichtungen zur Förderung der dort lebenden deutschen Minderheit zu erfüllen, die sich beispielsweise aus der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ergeben.

Der Bund der Vertriebenen wird weiterhin daran arbeiten, die guten nachbarschaftlichen Beziehungen auf zivilgesellschaftlicher Ebene mit Nachdruck fortzusetzen und weiter zu verbessern – etwa durch Kooperationen und Partnerschaften im kommunalen und regionalen Bereich oder die Zusammenarbeit zur Pflege unserer gemeinsamen Kultur. Damit folgen wir den Idealen, die fest in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 verankert sind.
 

Quelle:
BdV-Pressemittilung vom 09.09.2017

 

In den Zwängen der politischen Geschichtswissenschaft
Die Zeitung der Deutschen in Polen hinterfragt Polens Recht auf Reparationen
von Edmund Pander

Anfang September hatte Polens Regierungschefin Beata Szydlo Forderungen nach Kriegsentschädigungen durch Deutschland bekräftigt. In einem Papier des Sejms wurde festgestellt, dass die Frage juristisch weiterhin offen bleibe, auch, da Polen in der Nachkriegszeit keine echte Souveränität gehabt habe und damals dem Willen aus Moskau gefolgt sei.

Eine umfassende Einschätzung der polnischen Position hat nun die Zeitung der deutschen Minderheit in Polen, das Wochenblatt“, beim Direktor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien der Universität Breslau, Krzysztof Ruchniewicz, eingefordert. Er stellt eingangs fest, dass die Alliierten bereits am 19. August 1945 vereinbart hätten, dass die Gebiete, die nach dem Zweiten Weltkrieg Polen zufielen (…) aus den Reparationen ausgenommen waren“.

Dummerweise hakte das Wochenblatt“ an dieser Stelle nicht nach, wieso sich Polen auf eine fehlende Souveränität berufen dürfe, während der alliierte Wille für Deutschland nun nach Jahrzehnten noch wirken solle. Gleichwohl schafft es Ruchniewicz zu erklären, warum sich Polen von Sowjetrussland in Sachen des Weiterreichens von konfiszierten Werten nie bedient fühlte: Die Sache wurde später komplizierter, nachdem die sowjetische Regierung von Polen eine Gebühr für die Auszahlung der Reparationen verlangte. Warschau sollte diese Gebühr entrichten in Form von Steinkohleverkäufen zu ausgesprochenen Vorzugspreisen zugunsten der sowjetischen Seite, ja geradezu umsonst.“ Gleichwohl sei die Frage individueller Entschädigung für kriegsbedingte Leiden im Gegensatz zu Reparationen viel komplexer“. Im Grunde eine zweite Steilvorlage für das Wochenblatt“, hier auch nach deutschen Zwangsarbeitern unter Polen zu fragen.

Ruchniewicz warnt letztlich immerhin davor, die deutsch-polnischen Beziehungen mit Forderungen zu belasten. Letztlich ist er immer wieder auch von der deutschen Minderheit als eine Art Kronzeuge in historischen Debatten zu Wort gekommen. Doch im Resümee scheint für die Deutschen in Polen mit dieser Kronzeugenschaft auch verbunden zu sein, niemals Positionen jenseits von Ruchniewicz zu vertreten.

Und hier fällt einem an erster Stelle natürlich die Rolle ein, die Ruchniewicz bei der Demontage von Manfred Kittel als Direktor der Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung zukam, als er den linksliberalen deutschen Kollegen polnische Positionen im Kesseltreiben gefällig verkaufte aus welchen Abhängigkeiten oder Überzeugen auch immer. In Erinnerung bleibt dabei, wie er sich an den Attacken der polnischen Politologin Anna Wolf-Paweska beteiligte, die den Berliner Appell“ von Erika Steinbach, der damaligen Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, vom September 1998 als opportunistisch, arrogant, zynisch, inkompetent, demagogisch und unverantwortlich“ einstufte. Ruchniewicz galt fortan als Hoffnungsträger für die Erstellung eines deutsch-polnischen Schulgeschichtsbuches.

Das Dilemma bleibt: Politische Erwartungshaltungen und jahrzehntelange terminologische Gewohnheiten in Polen führen noch immer bei halben Schritten zu kritikloser und schneller Zustimmung. Wie viele deutsche Wissenschaftler schwärmen in Breslau allein davon, dass die Universität ein Willy-Brandt-Zentrum unterhält benannt ausgerechnet nach dem deutschen Politiker, der als erster den deutschen Osten aufgab. In einer anderen Tradition als der Brandt’schen kann ein solches Institut letztlich gar nicht stehen.
 

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 40 / 06.10.2017