Merkels 1914:
"Ich verneige mich vor
den britischen Opfern"
von Hans Heckel
Es ist einem britisch-australischen Historiker zu danken, dass pünktlich zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs die Legende von der deutschen Haupt- oder gar Alleinschuld an der Katastrophe von 1914 ausgeräumt ist. Oder ist sie das etwa immer noch nicht?
Die deutsche Bundeskanzlerin hielt vor wenigen Tagen eine Rede vor dem britischen Parlament, die Zweifel aufkommen lässt. Merkel sagte dort: „Großbritannien gedenkt ganz besonders auch in diesem Jahr der Toten, der Verluste und des unendlichen Leids, das es in diesen Kriegen durch Deutschland erfahren hat.“ In der weiteren Rede bewertet sie Londons Rolle in beiden Kriegen als durchweg positiv, allein den Deutschen weist sie Schuld zu. Über deutsche Opfer oder britische Verantwortung für das Leid anderer verliert sie kein Wort.
Dabei ist die Wahrheit über die Urkatastrophe von 1914 eindeutig und mannigfach belegt: Die Rolle Großbritanniens war mitnichten positiv. London schmiedete schon zehn Jahre zuvor mit Paris ein Angriffsbündnis gegen Deutschland, die „Entente Cordiale“. Dem standen seinerzeit keine auch nur annähernd vergleichbaren Schritte des Reichs gegenüber.
Dass Merkel hier einer aus der Kriegspropaganda
geschöpften groben Verzerrung der Geschichte das Wort redet, ist ein Skandal,
der nicht mit diplomatischer Höflichkeit dem Gastgeber gegenüber entschuldigt
werden kann. Ernüchternd ist es, dass die Rede offenbar niemanden hierzulande
erregt hat. Die Deutschen haben sich offenbar dermaßen an die permanente
Selbstanklage gewöhnt, dass ihnen Merkels Entgleisung gar nicht auffiel.
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